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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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brauchte, um weiterzukommen, und dass Miranda den Platz nicht räumen
wollte, auch nachdem ihm Adán Barrera ein sehr großzügiges Angebot gemacht hatte.
Niemand kennt den wahren Grund, aber Casavales und Miranda sind tot, und
ein paar Monate später steigt Felizardo in den Ring und gewinnt die
Meisterschaft im Leichtgewicht.
    Fabián streitet ab,
die beiden umgelegt zu haben, egal aus welchen Gründen, aber je mehr er
leugnet, umso glaubwürdiger werden die Geschichten.
    Raúl verpasst ihm
sogar einen Spitznamen.
    El Tiburón.
    Der Hai.
     
    Adán bearbeitet
nicht die Kids, er bearbeitet die Erwachsenen.
    Lucia mit ihrem geschulten Geschmack ist ihm eine große Hilfe dabei. Sie
besorgt ihm einem guten Schneider, kauft ihm teure Anzüge, vornehm
zurückhaltende Garderobe. (Adán will auch Raúl zu einem Geschmackswandel bewegen, aber der dreht
eher noch auf, bereichert seine Cowboykluft um einen superlangen Nerzmantel.)
Lucia besucht mit ihm die französischen Restaurants, private Partys und Clubs
in den besseren Vierteln.
    Und natürlich gehen sie zur Kirche. Jeden Sonntagvormittag findet man sie
in der Messe. Sie legen dicke Schecks in die Kollekte, spenden großzügig für
Bauvorhaben, für die Waisenkasse, für die Priesterversorgungskasse. Sie laden
Padre Rivera zum Dinner ein, veranstalten Grillpartys, stellen sich als Taufpaten für
eine wachsende Zahl junger Familien zur Verfügung. Sie sind ein junges,
aufstrebendes Paar in Tijuana, wie es viele gibt - er ein ruhiger, seriöser
Geschäftsmann mit erst einem Restaurant, dann mit zweien, dann mit fünfen, sie
die ihm zur Seite stehende Ehefrau.
    Lucia besucht das Fitnessstudio, geht mit anderen jungen Ehefrauen zum
Lunch, fährt zum Shoppen nach San Diego. Darin sieht sie ihre Pflicht als
Ehefrau eines Geschäftsmanns, aber mehr auch nicht, denn sie muss sich um ihr
krankes Kind kümmern - die anderen Frauen haben Verständnis dafür. Sie ist
viel zu Hause, und sie widmet sich der Kirchenarbeit.
    Inzwischen ist sie schon Patin für ein halbes Dutzend Babys. Doch sie
scheint zu einem starren Lächeln verurteilt, wenn sie das gesunde Kind anderer
Leute übers Taufbecken hält.
    Ist Adán nicht zu Hause, arbeitet er im Büro, oder er sitzt in einem seiner
Restaurants, trinkt Kaffee und erledigt die Buchführung. Er wirkt wie ein
junger Buchhalter, ein Zahlenjongleur. Und wer die Zahlenkolonnen sieht, die
er mit Bleistift in sein gelbes Kontorbuch schreibt, würde niemals glauben,
dass es um x Kilo Kokain geht - multipliziert mit den Lieferkosten der
Kolumbianer, minus Transportkosten, Schutzgelder, Löhne und anderer
Nebenkosten, Gúeros zehn Prozent, Tíos zehn Prozent. Natürlich befasst er sich auch mit prosaischen Dingen, etwa
den Kosten der Rinderlenden, Leinenservietten, Putzmittel und dergleichen für
die fünf Restaurants, die er jetzt besitzt, aber die meiste Zeit beanspruchen
die komplizierteren Berechnungen, die sich mit dem Transport von Tonnen
kolumbianischen Kokains befassen, und auch ein bisschen Heroin ist dabei,
damit sie diesen Markt nicht aus den Augen verlieren.
    Selten, wenn überhaupt, bekommt er die Drogen, die Lieferanten oder die
Abnehmer zu sehen. Adán hat nur mit Geld zu tun - er zählt es, verbucht es, wäscht es. Aber er
sammelt es nicht ein - das ist Rauls Geschäft.
    Und Raúl kümmert sich hervorragend um sein Geschäft.
    Nehmen wir den Fall der zwei Geldboten, die zweihunderttausend
Barrera-Dollars über die Grenze nach Mexiko bringen sollten und immer weiter
Richtung Monterrey fuhren statt nach Tijuana. Aber die mexikanischen Landstraßen können sehr
lang werden, und natürlich werden die zwei Ausreißer bei Chihuahua von der
Polizei aufgegriffen und so lange festgehalten, bis Raúl eintrifft.
    Raúl ist nicht
erfreut.
    Er hat die Hände des einen Boten unter die Schlagschere gelegt und fragt
ihn nun: »Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass du keine langen Finger
machen sollst?«
    »Doch!«, schreit der Bote mit schreckgeweiteten Augen.
    »Du hättest auf sie hören sollen«, sagt Raúl. Mit seinem ganzen
Gewicht legt er sich auf den Griff der Schlagschere und trennt dem Boten beide
Hände ab. Die Polizisten beeilen sich, ihn ins Krankenhaus zu bringen, denn Raúl hat ihnen
unmissverständlich klargemacht, dass der Mann am Leben bleiben muss, um fortan als
menschliches Warnsignal umherzulaufen.
    Der andere Bote schafft es bis nach Monterrey, doch er liegt gefesselt und geknebelt im Kofferraum
des Autos, das Raúl zu

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