Winslow, Don
tatsächlich ungezählten Millionen, die in
den Slums von Mexico City leben, die Menschen, die auf den Müllhalden von
Tijuana hausen, die landlosen Bauern von Chiapas, die in Wirklichkeit
Fronarbeiter sind.
»Für die sogenannte Befreiungstheologie finden Sie bei mir keine
Unterstützung«, sagt Antonucci.
»Ist mir egal. Rechenschaft lege ich nicht vor Ihnen ab, sondern vor
Gott.«
»Ich kann Sie in einen kleinen feuerländischen Sprengel versetzen lassen.
Ein Anruf genügt.«
Parada nimmt den Hörer
auf und reicht ihn Antonucci.
»Bitte schön«, sagt er. »Als Gemeindepfarrer am Ende der Welt, das wäre
mein Traum. Warum zögern Sie? Dann rufe ich an Ihrer Stelle an. Ich zwinge Sie,
Farbe zu bekennen. Ich rufe in Rom an, und dann erzähle ich der Presse in allen
Einzelheiten, warum ich versetzt wurde.«
Antonucci bekommt rote Flecken im Gesicht. Der kleine Vogel regt sich
auf, denkt Parada. Ich hab ihm das hübsche Gefieder zerzaust. Aber Antonucci beherrscht sich,
er wahrt die Fassung und sogar sein selbstgefälliges Lächeln, während er den
Hörer wieder auflegt.
»Gute Entscheidung«, sagt Parada mit einer Dreistigkeit, die ihm selbst schon
unheimlich wird. »Ich werde diese Hilfsaktion leiten. Ich wasche das
Kirchengeld, damit die mexikanische Regierung ihr Gesicht wahren kann, und
sorge dafür, dass die Kirche in Mexiko wieder Fuß fasst.«
»Welche Gegenleistung erwarten Sie dafür?«, fragt Antonucci.
»Dass mich der Vatikan zum Kardinal ernennt.«
Denn um Gutes zu tun, braucht man die notwendige Macht.
»Jetzt agieren Sie selbst wie ein Politiker«, sagt Antonucci.
Sehr wahr, denkt Parada.
So soll es sein.
»Also haben wir eine Übereinkunft«, sagt Parada. Jetzt hat sich
der Vogel in einen Kater verwandelt, denkt er im Stillen. Einen Kater, der
glaubt, er hat den Kanarienvogel gefressen. Antonucci glaubt, ich habe meine
Seele verkauft, um Kardinal zu werden. Ein solcher Handel leuchtet ihm ein.
Sei's drum. Soll er's glauben.
Einfach so tun, hatte die hübsche amerikanische Prostituierte gesagt.
Sie hat recht - es ist ganz leicht.
Tijuana
1985
Adán Barrera denkt
über den Deal nach, den er gerade mit der PRI gemacht hat.
Eigentlich war es ganz einfach, denkt er. Du gehst mit einer Aktentasche
voll Geld zum Frühstück und verlässt den Tisch ohne die Aktentasche. Sie
bleibt einfach stehen, wird gar nicht erwähnt, eine stumme Übereinkunft:
Obwohl die Amerikaner heftig Druck machen, darf Tío aus dem
honduranischen Exil zurückkehren.
Und sich zur Ruhe setzen.
Tío wird nach
Guadalajara zurückgehen, seine legalen Geschäfte fortsetzen. Das ist die eine
Seite der Übereinkunft. Die andere Seite bedeutet, dass García Ábrego die
langersehnte Nachfolge als el patrón antritt. Und vielleicht ist das gar nicht schlecht. Mit Tíos Gesundheit
steht es nicht zum Besten, und seit ihn dieses Miststück verraten hat, ist er,
offen gesagt, nicht mehr ganz der Alte. Er hat dieses Mädchen weiß Gott innig
geliebt, er wollte sie heiraten - und dann das!
Ábrego wird also die
Führung der Federación übernehmen, von seiner Region aus, dem Golf von Mexiko. El Verde behält Sonora,
Gúero Méndez die Provinz Baja California.
Und die mexikanische Regierung schaut weg.
Dem Erdbeben sei Dank.
Die Regierung braucht Geld für den Wiederaufbau, und im Moment gibt es nur
zwei Geldgeber - den Vatikan und die Drogenbarone. Die Kirche hat bereits
gezahlt, wie Adán weiß, er wird ebenfalls zahlen. Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit,
und die Regierung wird sich daran halten.
Darüber hinaus wird die Federación kräftig investieren, um sicherzustellen, dass die
Regierungspartei, die PRI, die kommenden Wahlen gewinnt, so wie alle Wahlen
seit der Revolution. Und gegenwärtig ist Adán dabei, Ábrego bei den Vorbereitungen zu einem
Wohltätigkeitsbankett zu helfen, das fünfundzwanzig Millionen Dollar einbringen
soll und zu dem alle Drogenbarone und Geschäftsleute Mexikos beitragen werden.
Wenn sie weiter Geschäfte machen wollen.
Und Geschäfte haben wir bitter nötig, denkt Adán. Das Hidalgo-Debakel
hat uns gewaltig geschadet. Jetzt ist Arturo zwar aus dem Lande, und die Dinge
beruhigen sich, aber es muss eine Menge Geld hereingeholt werden. Und seit
unsere Beziehungen nach Mexico City wieder auf festen Füßen stehen, können wir
in bewährter Manier weitermachen.
Mit anderen Worten, ich muss Gúero die Baja California abjagen.
Es ist Tíos Idee gewesen, dass sich seine
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