Winslow, Don
auf die 405, sondern weiter
westlich auf dem McArthur Boulevard, dann biegt sie in die Bear Street ab und
taucht in das Straßennetz von Costa Mesa ein.
Sie findet die Adresse sofort, eine kleine Werkstatt in einer Straße
voller Lagerhäuser. Ein Mann mit Mac -10 -Maschinenpistole öffnet ihr das Tor, und sie fährt hinein. Kaum hat sich
das Tor hinter ihr geschlossen, kommt sie sich vor wie beim Boxenstop eines Formel-1-Rennens
- eine ganze Mannschaft macht sich mit Spezialwerkzeugen über das Auto her,
zerlegt es in Minutenschnelle, packt die Geldbündel in Haliburton-Koffer und
die Koffer in den Kofferraum eines schwarzen Lexus.
Jetzt könnte einer damit durchbrennen, denkt sie, aber keiner dieser
Männer denkt auch nur im entferntesten daran. Das sind Illegale aus Mexiko, und Barreras Sicarios halten ihre Familien in Schach, mit dem Befehl, jeden zu erschießen, wenn
der Kurier nicht pünktlich und unbehelligt die Werkstatt verlässt.
Der Mann mit der Maschinenpistole überreicht ihr ein neues Handy.
Sie ruft Raúl an. »Fertig.«
»Farbe?«
»Blau«, sagt sie. Jede andere Farbe würde bedeuten, dass sie gegen ihren
Willen festgehalten wird. »Fahr los.«
Sie steigt in den Lexus, verlässt die Werkstatt und fährt zurück zur 405, Richtung San Pedro. Direkt unter dem Hubschrauber der Verkehrswacht
durch.
Keller starrt auf das leere Display.
Keine Frage, Nora Hayden ist ihm entwischt.
Sie weiß es, sie merkt es, sie fährt nordwestwärts, Gott weiß wohin, und
sie ist ganz allein auf sich gestellt. Was keine neue Erfahrung für sie ist.
Abgesehen von den paar Jahren mit Parada war sie immer allein, ihr ganzes Leben lang.
Aber sie weiß nicht, wie sie das jetzt hinkriegen soll. Oder was passieren
wird. Am einfachsten wäre es, die Dinge laufen zu lassen, mit dem Geld immer
weiterzufahren, aber so erreicht sie nicht, was sie will.
Es ist schon dunkel, als sie Carson passiert, die Erdgasfackeln des
Bohrgeländes ragen in den Himmel wie die Schornsteine einer Höllenschmiede.
Dem Plan zufolge soll sie an der Ausfahrt zum LAX abbiegen und anrufen.
Dort erfährt sie, wo das Treffen stattfindet.
An einer AARCO-Tankstelle auf dem Freeway 110, Richtung San Pedro.
»Farbe?«
»Blau.«
»Fahr weiter.«
Eine Sekunde überlegt sie, ob sie die Nummer eintippen soll, die Keller
ihr gegeben hat, aber erstens wird die Nummer dann aufgezeichnet, und zweitens
könnte das Auto verwanzt sein. Also fährt sie weiter zur Tankstelle und hält
an einer Zapfsäule. Ein Scheinwerfer blinkt auf. Sie fährt zu einer Reihe
Telefonzellen hinüber (Wer benutzt denn heutzutage noch die Telefonzelle?,
fragt sie sich) und bleibt sitzen. Aus dem anderen Auto steigt ein Asiat, er
trägt einen kleinen Aktenkoffer, kommt zu ihr herüber, sie entriegelt die
Beifahrertür, er steigt ein.
Ein junger Mann, Mitte zwanzig, schwarzer Anzug, weißes Hemd, schwarze
Krawatte, offenbar die Uniform der asiatischen Geschäftsleute.
»Ich heiße
Lee«, sagt er. »Ich heiße Smith.«
»Tut mir leid«, sagt Lee, »aber drehen Sie sich bitte zur Seite, und legen
Sie die Hände an die Scheibe.«
Er tastet sie nach Wanzen ab. Dann klappt er sein Köfferchen auf, holt
einen kleinen elektronischen Sensor heraus und überprüft das Auto auf Wanzen.
»Ich hoffe, Sie verzeihen mir«, sagt er.
»Kein Problem.«
»Fahren wir.«
»Wohin?«
»Das sage ich
Ihnen gleich.«
Er gibt ihr die
Anweisungen, und sie fahren Richtung Hafen.
Keller lässt
die Hafenanlagen der GOSCO überwachen. Das ist sein letzter und bester Trumpf.
Ein DEA-Agent sitzt in der Kanzel eines großes Krans, sein Nachtsichtgerät
auf die Zufahrt gerichtet.
Er meldet
Keller die Ankunft eines schwarzen Lexus. »Können Sie den Fahrer identifizieren?«
»Negativ.
Getönte Scheiben.«
Könnte jeder sein, denkt Keller. Nora, ein GOSCO-Manager, ein Freier auf
der Suche nach einer dunklen Ecke für den Blowjob.
»Bleiben Sie
dran.«
Allzu viel will er nicht telefonieren. Wenn der Deal tatsächlich läuft, überwachen
die Narcos den Telefonverkehr. Zwar ist die Leitung verschlüsselt, aber er muss mit
der traurigen Tatsache leben, dass die Narcos ein größeres Budget haben und besser ausgestattet
sind.
Jetzt hockt er in einem Hippie-Van drei Meilen vom Hafen entfernt und
wartet. Mehr ist nicht drin.
Nora fährt zwischen Lagerhäusern durch, die quer zu den Kaianlagen
verlaufen. Zwei riesige GOSCO-Frachter liegen dort auf Dock, Schweißer, die
irgendwelche Reparaturen
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