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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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gesichert.«
     
    Fünf Minuten später sitzt Keller neben Scachi auf dem Beifahrersitz.
    »Ich schwöre bei Gott«, sagt Scachi, »wenn es nach mir ginge, würde ich
dir sofort eine Kugel in den Kopf schießen.«
    Auf dem Ilopongo Airport herrscht reger Betrieb. Militärmaschinen,
Hubschrauber, Transportflugzeuge überall, jede Menge Bodenpersonal.
    Scachi steuert den Jeep zu einer Reihe von Leichtbauhallen, die
fortlaufend nummeriert sind. Das Tor von Hangar 4 gleitet zur Seite, und Scachi fährt hinein.
    Hinter dem Jeep schließt sich das Tor.
    Auch im Hangar ist eine Menge los. Ein paar Dutzend Män ner, manche in Kampfanzügen, andere in Tarnkleidung, aber alle bewaffnet,
entladen ein SETCO-Flugzeug. Drei weitere stehen beieinander und reden. Immer
wenn man Männer reden sieht, während die anderen arbeiten, denkt Keller,
handelt es sich um die Bosse.
    Eins der Gesichter kennt er schon.
    David Núñez, Ramón Mettes Partner bei der SETCO, Exilkubaner, Schweinebucht-Veteran.
    Núñez unterbricht
sein Gespräch und geht hinüber zu den aufgestapelten Kisten. Auf seinen Befehl
hebelt ein Arbeiter eine der Kisten auf. Keller verfolgt, wie Núñez einen
Granatwerfer heraushebt, mit andächtigen Bewegungen, als hielte er ein Heiligtum
in den Händen. Verbitterte Menschen gehen anders mit Waffen um als andere,
denkt Keller. Die Waffen sind irgendwie an ihre Instinkte gekoppelt, mit ihrem
Kopf, ihrem Bauch verdrahtet. Und Núñez hat diesen Blick - er ist verliebt in den Granatwerfer. Sein Stolz und seine Männlichkeit sind am Strand der
Schweinebucht geblieben, und die Waffe verkörpert sein Hoffen auf Vergeltung.
    Das ist die alte Miami-Connection, denkt Keller, die sich neu aufgestellt
hat. Sie schleust das Kokain aus Kolumbien jetzt über Mexiko in die USA. Und
die Mafia zahlt mit Waffen für die Contras.
    Das mexikanische Trampolin.
    Scachi springt aus dem Jeep und geht auf einen jungen Amerikaner zu,
einen Offizier in Zivil, wie es aussieht.
    Den kenne ich doch, denkt Keller. Aber woher?
    Dann meldet sich die Erinnerung zurück. Scheiße, denkt Keller, mit dem
habe ich doch Nachteinsätze in Vietnam gemacht. Operation Phoenix. Wie zum
Teufel hieß der gleich? Der war Captain, Captain bei den Special Forces ...
Craig, genau.
    Scott Craig.
    John Hobbs hat sich die alte Mannschaft geholt.
    Scachi verhandelt mit Craig, zeigt mit dem Daumen auf Keller. Keller
winkt und lächelt. Craig geht ans Funkgerät, und dort findet eine weitere
Absprache statt. Im Hintergrund stapeln sich Kokain-Pakete bis zur Decke.
    Nach einer Weile kommen Scachi und Craig auf ihn zu.
    »Das wolltest du doch sehen, Keller«, sagt Scachi. »Bist du jetzt
glücklich?«
    »Klar doch. Ich sterbe vor Glück.«
    »Die Scherze werden dir vergehen«, sagt Scachi.
    Craig mustert Keller mit einem vernichtenden Blick.
    Aber der Blick funktioniert nicht. Craig sieht aus wie ein Pfadfinder,
denkt Keller. Kindergesicht, kurzes Haar, nett und harmlos. Ein Pfadfinder,
der ums Abzeichen »Dope gegen Waffen« kämpft.
    »Die Frage ist«, sagt Craig zu Keller, »ob du teamfähig bist.« Das wäre
neu, denkt Keller.
    Und Scachi denkt offenbar das Gleiche. »Keller ist eher der Cowboytyp«,
sagt er. »Allein in der weiten Prärieeeee...«
    »Kein guter Ort«, sagt Craig. »... vom Winde verweht sein Grab.«
    »Ich habe alle Ermittlungen in einem Schließfach deponiert«, lügt Keller.
»Wenn mir was passiert, geht das Material an die Washington
Post.«
    »Der alte Bluff«, sagt Scachi.
    »Willst du's drauf ankommen lassen?«
    Scachi dreht sich weg und geht hinüber zum Funkgerät. Kommt wenig später
zurück und befiehlt: »Zieht ihm die Kapuze über!«
     
    Keller weiß, er liegt auf der offenen Ladefläche eines Autos, eines Jeeps
wahrscheinlich, nach dem Geholpere zu urteilen. Wo immer sie ihn hinbringen,
es muss weit entfernt sein, denn ihm ist, als ginge es schon seit Stunden so.
Jedenfalls fühlt es sich so an, aber er weiß es nicht genau, weil er seine Uhr
nicht sieht und auch sonst nichts, und jetzt begreift er, wozu eine solche
Kapuze gut ist. Sie soll einschüchtern, verunsichern, desorientieren. Dass er
nicht sehen, aber hören kann, stürzt ihn von einer Angst in die nächste, jedes
Geräusch wird zum Auslöser für neue Schreckensphantasien.
    Der Jeep hält, und Keller erwartet das metallische Scharren eines
Gewehrbolzens, das Entsichern einer Pistole oder - schlimmer noch - das
Zischen einer Machete, die erst die Luft durchschneidet, dann -
    Er hört

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