Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
Vom Netzwerk:
prisa«, sagt Ramos. Beeil dich.
    Keller zögert. Ramos zündet sich eine Zigarre an. Zwei Soldaten stehen dabei und fragen sich,
warum der Gringo so lange zögert. Traut er sich nicht?
    Also war der Plan, Tío festzusetzen und in die Botschaft zu bringen, nur
eine Finte, denkt Keller. Eine Scharade für die Diplomaten. Ich soll jetzt
abdrücken, und alle werden schwören, dass sich Barrera der Festnahme widersetzt
hat. Dass er eine Waffe gezogen hat. Dass ich ihn erschießen musste. Und niemand
wird die Sache allzu gründlich untersuchen.
    »Date prisa.«
    Diesmal sagt es Tío, und er klingt angeödet, fast gelangweilt. »Date
prisa, sobrino. « Mach schon, Neffe.
    Keller packt
ihn beim Schopf und reißt ihn hoch. Er muss an Ernie denken, seinen
verstümmelten, gefolterten Körper am Straßenrand.
    Und flüstert Tío ins Ohr: » Vete
al demonio, Tio.« Fahr zur Hölle,
Onkel.
    »Da treffen wir uns wieder«, antwortet Tío. »Sie wollten
dich, Arturo. Ich hab sie überredet, Hidalgo zu nehmen, aus alter Verbundenheit.
Ich bin nicht wie du, ich achte meine Verwandten. Ernie Hidalgo ist für dich gestorben.
Und jetzt mach schon. Sei ein Mann.«
    Kellers Finger
krümmt sich um den Abzug. Er ist schwer. Schwerer, als er dachte. Tío grinst zu ihm
hoch. Keller spürt den Atem des Bluthunds. Er reißt Tío hoch, stellt
ihn auf die Beine. Der grinst ihn an, voller Verachtung. »Was machst du da?«,
fragt Ramos.
    »Das, was geplant war«, sagt Keller. Er steckt die Pistole weg und legt Tío Handfesseln an.
»Gehen wir.«
    »Ich mach's für dich, wenn du nicht den Nerv hast«, sagt Ramos.
    »Doch, hab ich«, sagt Keller. »Vamonos.«
    Einer der Soldaten will Tío eine schwarze Kapuze überziehen. Keller hält ihn
zurück und sagt zu Tío: »Todesspritze oder Gaskammer, Tío. Kannst dich schon mal entscheiden.«
    Tío grinst.
    Grinst ihm ins Gesicht. »Kapuze über«, befiehlt Keller.
    Der Soldat zieht ihm die Kapuze über den Kopf und bindet sie zu. Keller
packt Tíos auf dem Rücken gefesselte Arme und schiebt ihn hinaus.
    Durch den parfümierten Garten.
    Nie dufteten die Jacaranden so süß. Widerlich süß, denkt Keller. Wie der
Weihrauch in der Kirche, in seiner Kindheit. Erst war der Geruch angenehm, dann
wurde ihm ein bisschen übel davon.
    So fühlt er sich jetzt auch, während er Tío Richtung Tor
schiebt, zur Straße hinaus, wo der Transporter wartet. Nur dass der Transporter
inzwischen weg ist und sich zwanzig Gewehrläufe auf ihn richten.
    Nicht auf Tío.
    Auf ihn, Art Keller.
    Reguläre salvadorianische Soldaten und neben ihnen ein Yankee in Zivil,
mit glänzenden schwarzen Schuhen. Sal Scachi.
    »Keller, ich sagte dir doch, das nächste Mal schieße ich.« Keller blickt
sich um und sieht die Scharfschützen auf der Mauer.
    »Es gab eine kleine Meinungsverschiedenheit bei der salvadorianischen
Regierung«, sagt Scachi. »Die haben wir geklärt. Und tut mir leid, mein Junge,
wir können ihn dir nicht überlassen.«
    Während sich Keller noch fragt, wer »wir« sind, nickt Scachi, und zwei
salvadorianische Soldaten nehmen Tío die Kapuze ab. Kein Wunder, dass er so ekelhaft
gegrinst hat, denkt Keller. Er hat gewusst, dass die Kavallerie nahte.
    Ein paar andere Soldaten bringen Pilar heraus. Sie trägt jetzt ein Negligé, das mehr zeigt, als es verhüllt, und die Soldaten gaffen sie unverhohlen
an. Als sie an Tío vorbeigeführt wird, schluchzt sie: »Es tut mir leid«.
    Tío spuckt ihr ins
Gesicht. Die Soldaten halten ihr die Arme auf den Rücken, sie kann die Spucke
nicht abwischen.
    »Das vergesse ich dir nicht«, sagt Tío.
    Die Soldaten führen Pilar zu einem wartenden Transporter.
    Tío dreht sich zu
Keller um. »Dich vergesse ich auch nicht.«
    »Schon gut, schon gut«, sagt Scachi. »Niemand vergisst hier keinen. Don
Miguel, ziehen wir was Ordentliches an und verschwinden wir von hier. Und was
euch betrifft, Keller und Ramos, die Polizei würde euch liebend gern ins Gefängnis
stecken, aber wir haben ihnen gut zugeredet, sie belassen es bei der Ausweisung.
Eine Militärmaschine erwartet euch. Wenn also diese kleine Pyjama-Party vorbei
ist -«
    »Kerberos«, sagt Keller.
    Scachi packt ihn beim Arm und zerrt ihn beiseite. »Was zum Teufel hast du
da gesagt?«
    »Kerberos«, wiederholt Keller. Er ist überzeugt, jetzt hat er die Sache
durchschaut. »Ilopongo Airport, Sal? Hangar 4?«
    Scachi starrt ihn an, dann sagt er: »Keller, du hast dir gerade einen
Spitzenplatz im Olymp der Arschlöcher

Weitere Kostenlose Bücher