Winslow, Don
Salvador, Honduras und Costa Rica, die wiederum die
NHAO gegründet hat - die Aktion Humanitäre Hilfe -, welche im Einklang mit dem
Boland-Amendment dazu dient, nicaraguanische Flüchtlinge, also die Contras, humanitär zu
unterstützen. Operation Kerberos läuft nicht über die Firma - da liegen Sie
falsch -, sondern direkt über das Büro des Vizepräsidenten. Scachi untersteht
mir direkt, und ich unterstehe dem Vizepräsidenten.«
»Warum erzählen Sie mir das?«
»Ich appelliere an Ihren Patriotismus.«
»Das Land, dem ich diene, verbündet sich nicht mit Verbrechern, die
unsere eigenen Leute zu Tode foltern.«
»Reden wir doch mal über Ihren Pragmatismus«, sagt Hobbs. Er holt Papiere
aus der Tasche. »Bankauszüge. Überweisungen auf Ihre Konten auf den
Cayman-Inseln, in Costa Rica, in Panama ... alle von Miguel Ángel Barrera.«
»Davon weiß ich nichts.«
»Auszahlungsbelege«, sagt Hobbs. »Mit Ihrer Unterschrift.«
»Das war ein Deal, zu dem ich gezwungen war.«
»Das kleinere Übel«, sagt Hobbs. »Genau. Ich verstehe Ihr Dilemma
vollkommen. Und jetzt bitte ich Sie, unser Dilemma zu verstehen. Sie wahren Ihr
Geheimnis, wir wahren unseres.«
»Fick dich.«
Keller dreht sich um und läuft den Weg zurück. »Keller, wenn Sie denken,
dass wir Sie einfach so laufen lassen -«
Keller hält den Mittelfinger hoch und läuft weiter.
»Wir müssen zu irgendeiner Übereinkunft kommen.«
Keller schüttelt den Kopf. Die können sich ihre Dominotheorie sonstwohin
stopfen, sagt er sich. Kann mir Hobbs etwas bieten, was Ernies Tod aufwiegen
würde?
Nichts kann er mir bieten. Nicht das Geringste kann er einem Mann bieten,
der alles verloren hat - seine Familie, seinen Job, seinen Freund, seine
Hoffnung, sein Vertrauen, den Glauben an sein Land. Es gibt nichts, was ihm
noch etwas bedeutet.
Wirklich nicht?
Doch, eins gibt es noch. Keller begreift, dass Kerberos kein Wachhund ist,
sondern ein Höllenhund. Ein geifernder, zähnefletschender Bluthund, der ihn
hineinlockt in die Unterwelt.
Und er kann nicht widerstehen.
6 Erschüttert in den Grundfesten
... Und
schob die Riegel von massivem Eisen
Und festen
Felsen ohne Mühe weg.
Die
Höllentore flogen plötzlich auf
Mit
ungestümem Prallen und Geräusch;
In ihren
Angeln kracht ein dumpfer Donner,
Dass tief
der Hölle Grund erzitterte.
John Milton, Das verlorene
Paradies
Mexico City
19. September 1985
Jemand rüttelt am Bett.
Das Rütteln mischt sich in ihre Träume, dann wird sie wach und merkt: Das
Bett wackelt wirklich.
Nora schreckt hoch und schaut auf den Wecker, aber es ist schwer, die
Ziffern zu erkennen, weil sie vibrieren, sich fast verflüssigen vor ihren
Augen. Sie hält den Wecker fest - es ist acht Uhr achtzehn. Dann merkt sie,
dass es der Nachttisch ist, der wackelt, dass alles wackelt - der Tisch, die
Lampen, der Sessel, das Bett.
Ihr Zimmer befindet sich im siebenten Stock des Regis Hotel, einer
hübschen alten Sehenswürdigkeit auf der Avenida
Juárez nahe dem Alameda-Park im Herzen der
Stadt. Sie wohnt hier als Gast eines Ministers, er hat sie eingeladen, um mit
ihr den Unabhängigkeitstag zu feiern, und jetzt, drei Tage danach, ist sie immer
noch hier. Der Minister fährt abends nach Hause zu seiner Frau. An den
Nachmittagen kommt er zu ihr ins Regis, um seine Unabhängigkeit zu feiern.
Nora denkt, sie schläft vielleicht noch, das Ganze ist ein Traum, dann
schwanken die Wände.
Bin ich seekrank?, fragt sie sich. Ihr wird schwindlig und übel, und es
kommt noch schlimmer, als sie aus dem Bett steigt und nicht stehen kann, weil
der Fußboden unter ihr zu wogen scheint.
Ein Blick in den großen Spiegel sagt ihr, dass sie nicht krank aussieht.
Es ist nur so, dass ihr Kopf im Spiegel wackelt, bis sich der Spiegel krümmt
und in Scherben fällt.
Sie nimmt die Arme hoch, um ihre Augen vor den Splittern zu schützen. Dann
hört sie das laute Prasseln von Regen, aber das ist kein Regen, das ist Schutt
aus den oberen Stockwerken. Und jetzt rutscht der Fußboden unter ihr weg wie
die beweglichen Metallplatten auf dem Rummelplatz, nur ist das hier kein
Rummel, das ist ernst.
Könnte sie das Hotel von draußen sehen, würde sie noch mehr erschrecken.
Es scheint zu flattern wie eine Fahne im Wind und biegt sich durch, bis es
tatsächlich mit dem Nachbarhaus zusammenstößt. Doch sie kann es hören. Sie
hört das dumpfe Krachen, dann stürzt die Wand hinter ihrem Bett ein, sie reißt
die Tür auf und rennt in den
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