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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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so.«
    »Ich soll nur
so tun?«
    »Es ist ganz
leicht«, sagt sie. »So mach ich's auch immer.«
    »Ah. Ohhh, ich verstehe.« Parada spürt, dass er rot wird. »Aber warum soll ich so
tun?«
    »Wegen der Macht«, sagt Nora. Und weil er so verwirrt reagiert, fügt sie
hinzu: »Ein Erzbischof hat doch ziemlich viel Macht, oder?«
    »In mancher
Hinsicht schon.«
    Nora nickt. »Ich schlafe mit vielen mächtigen Männern. Und wenn die
befehlen, wird es befolgt.«
    »Und?«
    »Und?« Sie zeigt mit dem Kopf auf den Park. »Dort gibt es eine Menge zu
tun.«
    »Aha.«
    Kinder sagen die Wahrheit, denkt Parada. Von Prostituierten ganz zu schweigen.
    »War schön, mit Ihnen zu reden«, sagt er. »Wir sollten in Verbindung
bleiben.«
    »Eine Hure und ein Bischof?«
    »Sie kennen offenbar die Bibel nicht«, sagt Parada. »Neues Testament.
Maria Magdalena. Schon mal gehört?«
    »Nein.«
    »Jedenfalls steht unserer Freundschaft nichts im Wege«, sagt er und fügt
hastig hinzu: »Ich meine, dieser Art von Freundschaft. Ich habe ein Gelübde
abgelegt... ich meine einfach, es wäre schön, wenn wir Freunde würden.«
    »Das finde ich auch.«
    Er zieht eine Karte aus der Tasche. »Rufen Sie mich an, wenn sich die
Dinge beruhigt haben?«
    »Klar, mache ich.«
    »Gut. Dann will ich mal weiter. Ich hab zu tun.«
    »Ich auch.«
    Er kehrt zurück ins katholische Rettungszelt.
    »Notieren Sie die Namen dieser Kinder«, befiehlt er einem Padre. »Dann
vergleichen Sie die Namen mit den Listen der Toten, Vermissten und
Überlebenden. Irgendwo muss es auch eine Suchliste für Kinder geben.«
    »Wer sind Sie denn?«, fragt der Padre.
    »Ich bin der Erzbischof von Guadalajara«, sagt er. »Nun setzen Sie sich
mal in Bewegung. Und suchen Sie jemanden, der den Kindern Essen und Decken
gibt.«
    »Ja, Euer Hochwürden.«
    »Und ich brauche ein Auto.«
    »Hochwürden?«
    »Ein Auto«, sagt Parada. »Das mich zur Nuntiatur bringt.« Die päpstliche Nuntiatur, Antonuccis
Residenz, liegt im Süden der Stadt, weit von den zerstörten Vierteln entfernt.
Dort wird es Elektrizität geben, die Lampen werden brennen und, wichtiger noch,
die Telefone werden funktionieren.
    »Viele Straßen sind blockiert, Euer Hochwürden.«
    »Und viele sind frei«, sagt Parada. »Sie sind ja immer noch hier!«
    Zwei Stunden später, als der päpstliche Nuntius Kardinal Girolamo
Antonucci in die Residenz zurückkehrt, findet er seine Bediensteten in Aufruhr
und Erzbischof Parada in seinem Büro. Er hat die Füße auf dem Schreibtisch gelagert, zieht an
einer Zigarette und brüllt Befehle ins Telefon.
    Als Antonucci eintritt, blickt er auf.
    »Können Sie uns noch etwas Kaffee besorgen?«, fragt er. »Das wird eine lange
Nacht.« Und ein langer Tag.
     
    Sündige Genüsse.
    Heißer, starker Kaffee. Ofenfrisches Brot.
    Und Gott sei Dank ist Antonucci Italiener und raucht, denkt Parada, während er den
sündigsten seiner Genüsse in die Lunge einsaugt.
    Er schaut seinen Rauchwolken nach und hört Antonucci zu, der die Tasse
abstellt und zum Innenminister sagt: »Ich habe mit Seiner Heiligkeit persönlich
gesprochen, und er hat mich gebeten, der Regierung seines geliebten
mexikanischen Volkes zu versichern, dass der Vatikan stets bereit ist, jede
erdenkliche Hilfe zu gewähren, ungeachtet des Umstands, dass wir noch immer
nicht in den Genuss regulärer diplomatischer Beziehungen zur mexikanischen
Regierung gelangt sind.«
    Antonucci sieht aus wie ein Vogel, denkt Parada.
    Wie ein winziges Vögelchen mit einem neckischen kleinen Schnabel.
    Vor acht Fahren hat Rom ihn nach Mexiko entsandt, auf dass er die
Regierung nach über hundert Jahren antiklerikaler Politik in den Schoß der
katholischen Kirche zurückführe. 1856 hatte die Ley Lerdo die riesigen kirchlichen Besitzungen enteignet und verkauft. Die
revolutionäre Verfassung von 1857 hatte die mexikanische Kirche entmachtet, und der Vatikan vergalt es mit
der Exkommunizierung aller Mexikaner, die den Eid auf die Verfassung
leisteten.
    Seitdem herrscht zwischen dem Vatikan und der mexikanischen Regierung ein
labiler Waffenstillstand. Reguläre Beziehungen wurden nicht wiederaufgenommen,
aber selbst die rabiatesten Sozialisten der PRI - der Partido Revolucionario Institucional, unter deren pseudodemokratischer Herrschaft Mexiko seit 1917 regiert wird, wagten es nicht, die Kirche in diesem bäuerlichen Land
gänzlich zu verbieten. Sie beließen es bei kleineren Störmanövern wie dem
Verbot klerikaler Trachten, aber meist einigten

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