Winston 2 - Agent auf leisten Pfoten (German Edition)
eines …
Als die Tür zur Küche aufgerissen wird, habe ich schon fast die ganze Schüssel leer gefressen. Mit einem spitzen Schrei stürzt Anna auf mich zu. »WINSTON!!! Du böser, böser Kater!«
Erschrocken will ich zur Seite springen, aber mein Bauch ist so vollgestopft mit Teig und Hackfleisch, dass ich kaum vom Fleck komme. Anna packt mich am Nacken und zerrt mich von der Platte. Aua! Das mag ich gar nicht! So trägt man keinen ausgewachsenen Kater!
Aber das scheint Anna gerade völlig egal zu sein. Während sie mich immer noch am Nacken festhält, setzt sie mich unsanft auf den Boden vor dem Mülleimer. »Und was ist das? Hm!? WAS IST DAS???« Ihre Stimme bebt vor Zorn. Nicht gut. Gar nicht gut! Jetzt schüttelt mich Anna auch noch, maunz!
Okay, ich muss zugeben: Auf den ersten Blick sieht es aus, als hätte eine Katze auf der Suche nach Fressen im Mülleimer gewühlt. Aber das täuscht natürlich. Denn in Wirklichkeit hat hier eine Katze äußerst heldenhaft die Vernichtung wichtigen Beweismaterials verhindert! Nur: Wie mache ich das Anna klar? Im Moment ist sie nämlich so wütend, dass ich fürchte, gleich durch den Fleischwolf gedreht zu werden. Ich kann zwar verstehen, dass sie nicht besonders erfreut über das Gesamtbild, also plus Müll und minus Pelmeni, ist. Aber – bei meinem Kratzbaum – ist das ein Grund, gleich so auszurasten? Immerhin gehöre ich doch zur Familie und für mich hat Anna noch nie so etwas Leckeres gekocht. Ist also nur gerecht, wenn ich jetzt mal ein bisschen mehr bekommen habe als die anderen. Ich jaule beleidigt auf und versuche, mich aus Annas Klammergriff zu befreien.
Die »anderen«, sprich Werner, Kira und eine ältere Dame, also vermutlich Babuschka, stehen übrigens hinter Anna im Türrahmen. Als Kater bin ich zwar kein Meister im Beurteilen von Farben, aber ich würde sagen, Babuschka hat ein ziemlich buntes Kleid an, das an einigen Stellen glitzert. Ihre Haare hat sie zu einer Art Turm aufgehäuft – eine sehr interessante Frisur! Dabei ist Babuschka dunkelhaarig, nicht blond wie Anna und Kira. Ihre Augen sind schwarz umrandet, fast genau wie die von Pauli, was ihrem Blick etwas sehr Dramatisches gibt. Alles in allem ist sie rein äußerlich das komplette Gegenteil von Werners Mutter, Frau Hagedorn. Bemerkenswert, wie unterschiedlich ältere Damen aussehen können!
Keiner von den dreien sagt übrigens ein Wort, alle starren auf das Naturschauspiel, das sich ihnen hier gerade bietet: Frau gegen Kater. Leider gerade mit leichten Vorteilen für die Frau.
Schließlich räuspert sich Werner. »Winston – was in aller Welt hast du hier angestellt? Du bist doch sonst nicht so ein ungezogener Kater!« Er wendet sich an die ältere Dame: »Also, ich bin wirklich erstaunt: So etwas hat er noch nie gemacht.«
Die Angesprochene holt nur tief Luft. Dann schweigt sie. Vielsagend, wie ich glaube.
Jetzt drängelt sich Kira an Werner und Babuschka vorbei und kniet sich neben mich auf den Boden, genau zwischen die leeren Joghurtbecher und Kartoffelschalen.
»Lass ihn los, Mama! Du tust ihm weh!« Oha! Kira kann ja genauso gut fauchen wie ich – das gefällt mir! Sofort zur Stelle, wenn ein Freund in Not ist. Anna guckt ihre Tochter streng an.
»Kira, du siehst doch, was für eine Schweinerei das Viech hier angerichtet hat! Strafe muss sein!« Sie packt noch ein bisschen fester zu und schüttelt mich wieder, ich maunze laut.
Kira springt auf und schnappt empört nach Luft. Dann schreit sie ihre Mutter an: »Das ist kein Viech, das ist Winston! Und du bist eine Tierquälerin! LASS WINSTON SOFORT LOS!«
Verdutzt lockert Anna jetzt tatsächlich ihren Griff, ich nutze die Chance, winde mich heraus und springe sofort in die rettenden Arme von Kira.
Einen Moment lang sagt keiner ein Wort. Dann höre ich zum ersten Mal Babuschkas Stimme. Ganz tief und ruhig. Und mit rollendem R, genau wie Anna.
»Eins sehe ich gleich: Hier wird dringend Erziehung gebraucht. Für beide. Für Kind. Und für Kater.«
Bitte? Was meint sie denn damit? Läuft doch alles bestens hier!
Russische Mütter, gute Erziehung und seltsame Fragen.
Das Gute am gemeinsamen Stubenarrest ist, dass man nicht allein irgendwo eingesperrt wird. Das Schlechte daran ist, dass man ihn überhaupt aufgebrummt bekommen hat. Kira und ich sitzen auf dem Bett in ihrem Zimmer und erzählen uns gegenseitig, wie ungerecht die Welt ist. Also, genau genommen erzählt sie mir, wie ungerecht die Welt ist, aber ich bin
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