Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
offenbar unverletzt. Kugeln schlugen in die Hauswände; Mörtel und Gesteinssplitter flogen den Männern um die Ohren. Lenny schaffte es bis zu dem Haus, aus dem sie gekommen waren, sprang hinein und hielt die Tür auf. Lloyd taumelte ihm keuchend hinterher und brach im Flur zusammen. Drei weitere Männer folgten ihm.
Schwer atmend schaute Lloyd sich die Überlebenden an. Es waren Lenny, Dave, Muggsy Morgan und Joe Eli. »Sind das alle?«, fragte er.
»Ja«, antwortete Lenny.
»Nur fünf von sechsunddreißig? Mein Gott …«
»Ja. Oberst Bobrow ist als Militärberater ein echtes Genie.«
Allmählich kehrte das Gefühl in Lloyds Arm zurück, aber es tat höllisch weh. Er stellte fest, dass er den Arm doch bewegen konnte, wenn auch unter Schmerzen; also war er vermutlich nicht gebrochen. Er schaute an sich hinunter und sah, dass sein Ärmel blutdurchtränkt war. Dave nahm sein rotes Halstuch ab und knüpfte daraus eine Schlinge.
Lenny hatte eine Kopfverletzung. Blut war auf seinem Gesicht, doch er sagte, es sei nur ein Kratzer. Ansonsten schien er nichts abbekommen zu haben.
Dave, Muggsy und Joe waren wie durch ein Wunder unverletzt.
»Wir sollten uns neue Befehle holen«, sagte Lloyd, nachdem sie sich ein paar Minuten ausgeruht hatten. »Ohne Munition können wir ohnehin nichts ausrichten.«
»Sollen wir nicht zuerst eine schöne Tasse Tee trinken?«, schlug Lenny vor.
»Wie denn?«, antwortete Lloyd. »Wir haben keine Teelöffel.«
»Na, dann später.«
»Können wir uns nicht ein bisschen länger ausruhen?«, fragte Dave.
»Ausruhen können wir in der Etappe«, erwiderte Lloyd. »Da ist es sicherer.«
Sie zogen sich durch die Häuser zurück, in deren Wände sie die Löcher gehauen hatten. Das ständige Bücken und Kriechen machte Lloyd schwindlig. Er fragte sich, ob es mit dem Blutverlust zu tun hatte.
Schließlich verließen sie die Häuser außer Sichtweite der Kirche und entfernten sich über eine Nebenstraße vom Schauplatz des Massakers. Lloyds Erleichterung, noch am Leben zu sein, verflog und wich einem Gefühl der Wut darüber, wie das Leben seiner Männer verschwendet worden war.
Sie erreichten eine Scheune in den Außenbezirken der Stadt, wo die Regierungstruppen ihr Hauptquartier errichtet hatten. Lloyd sah Major Marquez hinter einem Stapel Kisten. Er verteilte Munition.
»Warum haben wir nichts davon bekommen?«, fragte Lloyd wütend.
Marquez zuckte nur mit den Schultern.
»Das werde ich Oberst Bobrow melden«, sagte Lloyd.
Bobrow saß an einem schmucken Tisch, den man offenbar aus einem Haus requiriert hatte, vor der Scheune. Sein Gesicht war rot von einem Sonnenbrand. Er sprach mit Wolodja Peschkow. Lloyd ging direkt zu ihnen. »Wir haben versucht, die Kirche zu stürmen, hatten aber keine Unterstützung«, sagte er. »Und nach wenigen Minuten ging uns die Munition aus, weil Marquez sich geweigert hat, uns welche zu geben.«
Bobrow musterte Lloyd mit kaltem Blick. Dann fragte er: »Was machen Sie denn hier?«
Lloyd konnte es kaum glauben. Wollte der Mistkerl ihm und seinen Männern denn nicht für ihre Tapferkeit danken? Wollte er nicht wenigstens sein Beileid für ihre Verluste ausdrücken?
»Das habe ich Ihnen doch gerade gesagt«, erwiderte Lloyd gereizt. »Wir hatten keine Unterstützung. Man kann ein so schwer befestigtes Gebäude wie diese Kirche nicht mit einem einzigenZug stürmen. Wir haben unser Bestes gegeben, aber wir hatten keine Chance. Ich habe einunddreißig von sechsunddreißig Männern verloren.« Er deutete auf seine vier Kameraden. »Das ist alles, was von meinem Zug übrig geblieben ist.«
»Wer hat Ihnen den Befehl zum Rückzug erteilt?«, fragte Bobrow.
Lloyd kämpfte gegen Schwindel und Übelkeit an. »Wir sind zurückgekommen …«, sagte er stockend, »um uns neue Befehle zu holen. Was hätten wir denn sonst tun sollen?«
»Bis zum letzten Mann kämpfen!«
»Womit denn? Wir hatten keine Munition mehr, und …«
»Ruhe!«, brüllte Bobrow. »Stillgestanden!«
Instinktiv nahmen sie Haltung an: Lloyd, Lenny, Dave, Muggsy und Joe, alle in einer Reihe. Wieder wurde Lloyd von heftigem Schwindel erfasst. Er hatte Angst, das Bewusstsein zu verlieren.
»Kehrtmachen!«, befahl Bobrow.
Die Männer drehten dem Oberst den Rücken zu.
Was denn jetzt?, fragte sich Lloyd.
»Die Verwundeten rausgetreten!«
Lloyd und Lenny traten einen Schritt zurück.
»Diejenigen, die noch laufen können, werden zum Wachdienst für die Gefangenen abkommandiert«, sagte
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