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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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erging es ähnlich; deshalb waren sie übereingekommen, beide die heutige Ausgabe der Berliner Morgenpost bei sich zu tragen, aufgeschlagen auf der Sportseite.
    Wolodja las einen Vorbericht zur nächsten Fußballsaison, während er wartete, wobei er immer wieder den Blick hob und nach Werner Ausschau hielt. Seit er in Berlin zur Schule gegangen war, hatte er die Spiele von Hertha BSC verfolgt. Früher hatte er Schlachtgesänge angestimmt, wenn die Mannschaft gewonnen hatte, und noch heute interessierte er sich für die Spiele der Hertha. Jetzt aber verdarb ihm seine Nervosität die Lust am Fußball, und er las denselben Bericht immer wieder, ohne ein Wort aufzunehmen.
    Die zwei Jahre, die Wolodja in Spanien verbracht hatte, hatten seine Karriere nicht so vorangebacht, wie er es sich erhofft hatte, eher im Gegenteil. Er hatte unter den deutschen »Freiwilligen« zahlreiche Nazi-Spione wie Heinz Bauer enttarnt; dann aber hatte der NKWD dies als Vorwand missbraucht, auch echte Freiwillige zu verhaften, die leise Kritik an der kommunistischen Parteilinie geäußert hatten. Hunderte idealistischer junger Männer waren in den Gefängnissen des NKWD gefoltert und ermordet worden. Manchmal hatte es den Eindruck erweckt, als wären die Kommunisten mehr daran interessiert, ihre anarchistischen Verbündeten zu bekämpfen, als den faschistischen Feind.
    Und es war alles umsonst gewesen. Stalins Politik hatte schlussendlich in die Katastrophe geführt. Das Ergebnis war eine faschistische Diktatur – die denkbar schlechteste Konsequenz für die Sowjetunion. Und die Schuld daran war ausschließlich den Russen zugeschoben worden, die in Spanien gekämpft hatten, obwohl sie nur Befehlsempfänger des Kremls gewesen waren. Einige von ihnen waren nach ihrer Rückkehr nach Moskau dann auch spurlos verschwunden.
    Nach dem Fall von Madrid war Wolodja voller Furcht in die Heimat zurückgekehrt. Dort hatte sich vieles verändert. In den Jahren 1937 und 1938 hatte Stalin die Rote Armee »gesäubert«: Tausende von Offizieren waren verschwunden, einschließlich vieler Bewohner der Kadermietskaserne, in der auch Wolodjas Eltern wohnten. Bisher vernachlässigte Männer wie Grigori Peschkow waren befördert worden und hatten die Posten jener armen Teufel übernommen, die den Säuberungen zum Opfer gefallen waren. So hatte Grigoris Karriere neuen Schwung bekommen. Mittlerweile unterstand ihm die Luftverteidigung von Moskau, und er hatte viel um die Ohren. Vermutlich war Grigoris neuer Status der Grund dafür, weshalb Wolodja nicht ebenfalls als Sündenbock für Stalins Spanienpolitik hatte herhalten müssen.
    Auch dem durchtriebenen Ilja Dworkin war es irgendwie gelungen, einer Strafe zu entgehen. Er war wieder in Moskau und mit Wolodjas Schwester Anja verheiratet, was Wolodja gar nicht gefiel. Aber was solche Dinge anging, konnte man Frauen ohnehin nicht verstehen. Anja war bereits schwanger, und Wolodja wurde immer wieder von Albträumen geplagt, in denen er sie mit einem Baby sah, das den Kopf einer Ratte besaß.
    Nach einem kurzen Urlaub war Wolodja nach Berlin versetzt worden, wo er nun erneut seinen Wert unter Beweis stellen musste.
    Er schaute von seiner Zeitung auf und sah Werner die Straße herunterkommen.
    Werner hatte sich kaum verändert. Er war ein wenig größer und breitschultriger geworden, hatte aber noch immer das strohblonde Haar, das ihm in die Stirn fiel und das Mädchen unwiderstehlich fanden, sowie den leicht belustigten Ausdruck in den blauen Augen. Er trug einen eleganten hellblauen Sommeranzug und goldene Manschettenknöpfe.
    Niemand folgte ihm.
    Wolodja überquerte die Straße und fing Werner ab, bevor er das Café betrat. Werner lächelte, wobei er seine weißen Zähne entblößte. »Mit diesem Armeehaarschnitt hätte ich dich fast nicht erkannt«, sagte er. »Schön, dich nach all den Jahren wiederzusehen.«
    Werner hatte nichts von seinem Charme eingebüßt, wie Wolodja bemerkte. »Lass uns reingehen«, sagte er.
    »Du willst doch nicht wirklich in diesen Schuppen?«, fragteWerner. »Da wimmelt es von Bauarbeitern, die sich fettige Würste in den Hals stopfen.«
    »Ich will nur von der Straße runter. Wir stehen hier wie auf einer Lichtung.«
    »Drei Türen weiter ist eine kleine Gasse.«
    »Gut.«
    Sie gingen das kurze Stück und bogen in das Gässchen ein, das zwischen einem Kohlenlager und einem Lebensmittelladen hindurchführte. »Was hast du so gemacht?«, erkundigte sich Werner.
    »Die Faschisten bekämpft,

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