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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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sich da nicht so sicher.
    Sie löste sich von ihrer Mutter. »Wie auch immer, ich wünschte, du hättest mich vorgewarnt, bevor du so jemanden wie diesen Leutnant zu uns in die Küche bringst«, sagte sie und nahm ihre Tasche vom Boden. »Wir können von Glück sagen, dass er sich den Inhalt meiner Tasche nicht genauer angeschaut hat.«
    »Wieso? Was ist denn da drin?«
    »Medizinisches Material, das ich aus dem Krankenhaus gestohlen habe, um es Dr. Rothmann zu geben.«
    Maud lächelte stolz. »Mein Mädchen!«
    »Ich hätte fast einen Herzschlag bekommen, als er nach der Tasche gegriffen hat.«
    »Tut mir leid.«
    »Du konntest es ja nicht wissen. Trotzdem werde ich zusehen, dass ich die Sachen so schnell wie möglich loswerde.«
    Carla zog sich wieder den Regenmantel über die Schwesternuniform, ging hinaus und eilte die Straße hinunter zum Haus der Rothmanns. Es war nicht so groß wie das Haus ihrer Familie, aber es war ein schmuckes Stadthaus mit schönen Zimmern. Inzwischen aber waren die Fenster vernagelt, und am Eingang verkündete ein tristes Schild: »Praxis geschlossen.«
    Die Rothmanns waren einst wohlhabende Leute gewesen. Dr. Rothmann hatte eine gut gehende Arztpraxis mit vielen reichen Patienten geführt. Ärmere Leute hatte er zu günstigeren Konditionen behandelt. Jetzt waren ihm nur noch die Armen geblieben.
    Nach einem Blick in die Runde schlich sich Carla hinter das Haus, wie die illegalen Patienten es taten.
    Sie sah sofort, dass etwas nicht stimmte. Die Hintertür stand offen.
    Als sie die Küche betrat, sah sie eine Gitarre mit zerbrochenem Hals auf dem Boden liegen. Der Raum war leer, doch sie hörte Geräusche aus dem Innern des Hauses.
    Carla durchquerte die Küche und betrat den Flur. Es gab zwei Haupträume im Erdgeschoss. Früher waren sie das Warte- und das Behandlungszimmer gewesen. Jetzt war das Wartezimmer als Wohnzimmer getarnt, und aus dem Behandlungsraum war Rudis Werkstatt geworden, in der stets ein Dutzend Geigen, Bratschen und Cellos auf ihre Reparatur warteten. Sämtliches medizinisches Gerät war in Schränken versteckt.
    Aber jetzt nicht mehr, wie Carla feststellte, als sie den Raum betrat.
    Die Schränke waren geöffnet und ihr Inhalt achtlos hinausgeworfen worden. Der Fußboden war mit Flüssigkeiten bedeckt und mit Glasscherben, Pillen und Pulvern übersät. Inmitten dieses Chaos sah Carla ein Stethoskop und ein Blutdruckmessgerät. Auf anderen Instrumenten war so lange herumgetrampelt worden, bis sie zerbrochen waren.
    Carla war schockiert und angewidert. Was für eine Verschwendung!
    Sie schaute in das andere Zimmer und sah Rudi Rothmann in einer Ecke liegen. Er war zweiundzwanzig Jahre alt, ein großer Mann von sportlicher Statur. Seine Augen waren geschlossen, und er stöhnte vor Schmerz.
    Hannelore Rothmann, seine Mutter, kniete neben ihm. Einst war sie eine gut aussehende Blondine gewesen, doch nun war sie grau und abgemagert.
    »Was ist passiert?«, fragte Carla, obwohl sie die Antwort bereits zu kennen glaubte.
    »Das war die Polizei«, antwortete Hannelore. »Sie haben meinem Mann vorgeworfen, arische Patienten zu behandeln, und ihn mitgenommen. Rudi hat versucht, sie aufzuhalten. Daraufhin haben sie alles kurz und klein geschlagen. Sie haben …« Die Stimme versagte ihr.
    Carla stellte ihre Tasche ab und kniete sich neben Hannelore. »Was haben diese Leute getan?«
    Hannelore fand ihre Stimme wieder. »Sie haben ihm die Hände gebrochen«, flüsterte sie.
    Carla sah sofort, dass Rudis Hände rot und auf schreckliche Weise verdreht waren. Offenbar hatte die Polizei ihm einen Finger nach dem anderen gebrochen. Kein Wunder, dass er so jämmerlich stöhnte. Carla drehte sich der Magen um. Doch sie sah solche schrecklichen Dinge jeden Tag und wusste, dass sie ihre Gefühle jetzt zurückstellen und helfen musste. »Er braucht Morphium«, sagte sie.
    Hannelore deutete auf das Chaos auf dem Boden. »Falls wir welches hatten, ist es jetzt weg.«
    Carla fluchte in sich hinein. Selbst den Krankenhäusern mangelte es inzwischen an Medikamenten, und die Polizei hatte nichts Besseres zu tun, als medizinische Vorräte zu vernichten. »Ich habe Morphium dabei.« Sie holte ein Fläschchen mit einer klaren Flüssigkeit und die Spritze aus ihrer Tasche, zog das Morphium auf und gab Rudi die Injektion.
    Die Wirkung setzte fast augenblicklich ein. Das Stöhnen endete. Rudi schlug die Augen auf und schaute Carla an. »Du bist ein Engel«, sagte er mit schleppender Stimme, schloss die

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