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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Maud eine starke Verbindung bestand, die weit über die gewohnte Vertrautheit einer langen Ehe hinausging. Und sie gaben sich keinen Illusionen hin: Sie wussten, dass sie ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder riskierten, wenn sie in Deutschland blieben. Aber sie waren entschlossen, gemeinsam dem Tod zu trotzen.
    Lloyd fragte sich, ob er je eine so tiefe Liebe empfinden würde.
    Ethel schaute auf die Uhr. »Du liebe Güte, wir verpassen den Zug!«
    Lloyd nahm ihre Reisetaschen, und sie eilten über den Bahnsteig. Eine Pfeife gellte. Gerade noch rechtzeitig stiegen Lloyd und Ethel in den Waggon. Als der Zug aus dem Bahnhof rollte, lehnten sie sich aus dem Fenster.
    Walter und Maud standen winkend auf dem Bahnsteig und wurden kleiner und kleiner, bis sie in der grauen Ferne verschwanden.

K A P I T E L  2
    1935
    »Über die jungen Mädchen in Buffalo musst du zwei Dinge wissen«, sagte Daisy Peshkov. »Sie saufen wie die Löcher und sind ausnahmslos Snobs.«
    Eva Rothmann kicherte. »Das glaube ich dir nicht.« Ihr deutscher Akzent war fast völlig verschwunden.
    »Es stimmt aber«, erwiderte Daisy. In ihrem in Weiß und Rosarot gehaltenen Zimmer probierten sie vor dem deckenhohen dreiteiligen Spiegel Kleider an. »Mit Marineblau und Weiß könntest du gut aussehen. Was meinst du?« Sie hielt Eva eine Bluse unters Kinn und betrachtete kritisch die Wirkung. Ja, der Farbkontrast stand ihr.
    Daisy durchforstete ihren Kleiderschrank auf der Suche nach einer Garnitur, die Eva zum Strandpicknick tragen konnte. Eva war nicht gerade eine Schönheit, und die Rüschen und Schleifchen, die viele von Daisys Kleidungsstücken zierten, wirkten an ihr altbacken. Zu ihren herben Gesichtszügen passten Streifen besser. Außerdem hatte sie dunkles Haar und tiefbraune Augen. »Du kannst helle Farben tragen«, erklärte Daisy ihr.
    Eva besaß nur wenig eigene Kleidung. Ihr Vater, ein jüdischer Arzt in Berlin, hatte seine gesamten Ersparnisse aufgewendet, um sie nach Amerika zu schicken. Vor einem Jahr war sie mittellos in der Neuen Welt eingetroffen. Eine Stiftung zahlte ihr das Internat, wo sie die gleichaltrige Daisy – beide waren neunzehn – kennengelernt hatte. Da Eva in den Sommerferien nirgendwo hinkonnte, hatte Daisy sie kurzerhand zu sich nach Hause eingeladen.
    Zuerst hatte Olga Peshkov, Daisys Mutter, Einwände erhoben. »Aber du bist das ganze Jahr in der Schule! Ich habe mich so darauf gefreut, dich wenigstens den Sommer über für mich allein zu haben.«
    »Eva wird dir gefallen«, erwiderte Daisy. »Sie ist freundlich, unbeschwert und eine treue Freundin.«
    Olga verzog das Gesicht. »Wahrscheinlich tut sie dir nur leid, weil sie vor den Nazis fliehen musste.«
    »Die Nazis sind mir egal. Ich mag Eva.«
    »Das ist ja schön und gut, aber muss sie deshalb gleich bei uns wohnen?«
    »Mutter, sie kann sonst nirgendwo hin!«
    Wie jedes Mal hatte Olga ihrer Tochter schließlich nachgegeben.
    »Die Mädchen hier sind Snobs?«, fragte Eva nun.
    »Das kann man wohl sagen. Sie sind eingebildete Ziegen, sogar mir gegenüber.«
    »Aber du bist hübsch und lebenslustig!«
    Daisy verzichtete darauf, das Kompliment bescheiden abzuweisen. »Das hassen sie ja gerade an mir.«
    »Und du bist reich.«
    Da hatte Eva allerdings recht. Daisys Vater war sehr wohlhabend, und ihre Mutter hatte ein Vermögen geerbt. Mit einundzwanzig würde Daisy zu viel Geld kommen. »Das hat nichts zu bedeuten. In dieser Stadt kommt es allein darauf an, wie lange du schon reich bist. Wer arbeitet, ist ein Niemand. Ganz oben stehen die Leute, die von den Millionen leben, die ihnen ihre Urgroßeltern hinterlassen haben.« Hinter ihrem fröhlich-spöttischen Tonfall verbarg Daisy den Zorn, den dieser Gedanke in ihr erregte.
    »Und dein Vater ist berühmt!«, sagte Eva.
    »Viele halten ihn für einen Gangster.«
    Daisys Großvater, Josef Vyalov, war Besitzer von Bars und Hotels gewesen. Ihr Vater, Lev Peshkov, hatte mit dem Gewinn marode Revuetheater aufgekauft und in Lichtspielhäuser umgebaut. Heute gehörte ihm sogar ein Hollywoodstudio.
    »Wie können die Leute so etwas behaupten!« Eva war empört.
    »Sie glauben, Vater war Alkoholschmuggler. Wahrscheinlich haben sie sogar recht. Wie hätte man während der Prohibition sonst mit Bars Geld verdienen sollen?« Daisy seufzte. »Jedenfalls ist das der Grund dafür, dass man Mutter niemals einladen wird, dem Buffaloer Damenclub beizutreten.«
    Beide blickten Daisys Mutter an, die auf dem Bett ihrer

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