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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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verließ die Bar in Richtung Speisesaal.
    Lev sah ihm voll Abscheu hinterher. »Nicht jeder ist vom Geld besessen«, wiederholte er abfällig Rouzrokhs Worte. »Sein Urgroßvater ist vor hundert Jahren aus Persien hierhergekommen, mit nichts als den Kleidern, die er am Leib trug, und sechs Teppichen. Der hätte acht Millionen Dollar nicht ausgeschlagen!«
    »Ich wusste gar nicht, dass du so viel Geld hast«, sagte Greg.
    »Habe ich auch nicht. Jedenfalls nicht als freies Kapital. Dafür gibt es schließlich Banken.«
    »Du würdest einen Kredit aufnehmen, um Mr. Rouzrokh zu bezahlen?«
    Lev hob mahnend den Finger. »Bezahle nie mit deinem eigenen Geld, wenn du fremdes ausgeben kannst.«
    Gus Dewar kam herein, ein großer Mann mit großem Kopf. Er war Mitte vierzig, und in seinem hellbraunen Haar zeigten sich erste silberne Strähnen. Er begrüßte Lev und Greg mit kühler Höflichkeit, schüttelte ihnen die Hand und bot ihnen zu trinken an.
    Greg erkannte auf den ersten Blick, dass Dewar und sein Vater einander nicht mochten. Er sah seine Felle wegschwimmen. Wie konnte er erwarten, dass Dewar ihm den ersehnten Gefallen tat, wenn er Lev nicht leiden konnte?
    Gus Dewar war ein hohes Tier und als Senator der Nachfolger seines Vaters. Er hatte Franklin Delano Roosevelt geholfen, Gouverneur von New York und schließlich US -Präsident zu werden.Jetzt saß er im mächtigen außenpolitischen Ausschuss des Senats. Seine Söhne Woody und Chuck gingen auf die gleiche Schule wie Greg. Woody war ein Kopfmensch, Chuck ein Sportler.
    »Hat der Präsident Ihnen befohlen, meinen Streik beizulegen, Senator?«, fragte Lev.
    Gus lächelte. »Nein – noch nicht jedenfalls.«
    Lev wandte sich Greg zu. »Als die Gießerei vor zwanzig Jahren zum letzten Mal streikte, hat Präsident Wilson Gus hierhergeschickt. Er sollte mich zwingen, den Leuten höhere Löhne zu zahlen.«
    »Ich habe Ihnen viel Geld erspart«, erklärte der Senator. »Die Leute wollten einen Dollar mehr, aber ich habe sie dazu gebracht, sich mit der Hälfte zufriedenzugeben.«
    »Was immer noch fünfzig Cent mehr war, als ich ihnen zahlen wollte«, sagte Lev.
    Gus zuckte mit den Schultern und lächelte. »Wollen wir essen?«
    Sie gingen in den Speisesaal. Als sie bestellt hatten, sagte Gus: »Übrigens, der Präsident hat sich gefreut, dass Sie zum Empfang im Weißen Haus kommen konnten.«
    »Wahrscheinlich hätte ich Gladys nicht mitbringen sollen. Mrs. Roosevelt hat sie ziemlich frostig behandelt. Offenbar hält sie nicht viel von Filmstars.«
    Wahrscheinlich hält sie nicht viel von Filmstars, die mit verheirateten Männern ins Bett gehen, dachte Greg, hielt aber den Mund.
    Während des Essens machte Gus Small Talk. Greg lauerte auf die Gelegenheit, den Senator um den ersehnten Gefallen zu bitten. Er wollte einen Sommer lang in Washington arbeiten, um zu lernen, wie der Hase läuft, und Kontakte zu knüpfen. Sein Vater hätte ihm vielleicht ein Praktikum verschaffen können, allerdings nur bei einem Republikaner, und die Republikaner waren nicht an der Macht. Greg wollte im Stab des einflussreichen und geachteten Senators Dewar arbeiten, eines persönlichen Freundes und Verbündeten des Präsidenten.
    Nach dem Dessert kam Gus zur Sache. »Der Präsident hat mich gebeten, mit Ihnen über die Freiheitsliga zu sprechen«, sagte er.
    Greg hatte von dieser Organisation gehört, einer rechtsgerichteten Gruppe, die den New Deal ablehnte.
    Lev zündete sich eine Zigarette an und stieß eine Rauchwolke aus. »Wir müssen uns vor dem heraufziehenden Sozialismus schützen, deshalb brauchen wir diese Leute.«
    »Und was ist mit dem Albtraum, den man in Deutschland erlebt?«, erwiderte Gus. »Der New Deal ist das Einzige, was uns davor schützt.«
    »Die Freiheitsliga besteht nicht aus Nazis.«
    »Nein? Aber sie plant einen bewaffneten Aufstand, um den Präsidenten zu stürzen. Die Pläne sind natürlich nicht realistisch – jedenfalls noch nicht.«
    »Ich glaube, ich habe ein Recht auf eine eigene Meinung.«
    »Dann unterstützen Sie die falschen Leute«, sagte Gus. »Die Liga hat nichts mit Freiheit zu tun.«
    »Belehren Sie mich nicht über Freiheit.« In Levs Stimme lag ein Hauch Verärgerung. »Als ich zwölf war, hat die Polizei in St. Petersburg mich ausgepeitscht, weil meine Eltern gestreikt haben.«
    Greg wusste nicht, weshalb sein Vater das jetzt sagte. Die Brutalität des zaristischen Regimes erschien ihm eher als Argument für den Sozialismus, nicht

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