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Winter der Zärtlichkeit

Winter der Zärtlichkeit

Titel: Winter der Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Miller
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Sicherheitsgurt war um beide gelegt. „Ganz ruhig.“
    Liam nickte ernst. Mit flachen Atemzügen rang er nach Luft, bekam aber nicht genug. Nicht genug. Seine Lippen färbten sich blau.
    Sierra hielt ihn fest - aber nicht zu fest -, legte ihr Kinn auf seinen Kopf und begann zu beten.
    Die Straßen waren noch nicht geräumt. Alles war nur schwer zu erkennen. Ohne die Schneeverwehungen zu beiden Seiten hätte sie nicht gewusst, wo sie überhaupt waren. Aber der Truck bahnte sich mühelos seinen Weg.
    Was hätten wir getan, wenn wir allein gewesen wären, überlegte Sierra verzweifelt. Ihr alter Kombi, inzwischen ein schneebedeckter Hügel in der Auffahrt vor dem Haus, wäre wahrscheinlich gar nicht angesprungen. Und falls wie durch ein Wunder doch, wären sie sehr wahrscheinlich irgendwo auf dem Weg im Graben gelandet.
    „Es wird alles gut“, hörte sie Travis sagen. Sie glaubte, dass er mit Liam sprach. Doch als sie ihn ansah, wurde ihr klar, dass die Worte an sie gerichtet waren.
    „Gibt es ein Krankenhaus in Indian Rock?“ Liam und sie waren auf dem Hinweg durch den Ort gefahren, aber sie konnte sich nur noch an ein oder zwei Restaurants erinnern, an einige Kneipen, Bars und eine Tankstelle. Sie war zu beschäftigt damit gewesen, der handgezeichneten Karte zu folgen, die sie von Meg per E-Mail bekommen hatte. Der Friedhof der McKettricks war mit einem Kreuz gekennzeichnet gewesen, das Ranchhaus mit einem Rechteck und zwei Strichen, die ein Dach darstellen sollten.
    „Ja“, sagte Travis. Er sah kurz zu Liam und richtete den Blick dann wieder mit versteinerter Miene auf die Straße. Dabei zog er sein Mobiltelefon aus seiner Tasche und reichte es Sierra.
    Sie wählte 112 und bat darum, mit dem Krankenhaus verbunden zu werden.
    Als jemand antwortete, erklärte Sierra die Situation. Sie versuchte, dabei so ruhig wie möglich zu wirken, um Liam nicht noch mehr zu erschrecken. Sie hatten solche Situationen in seinem kurzen Leben schon mindestens ein Dutzend Mal erlebt, und trotzdem wurde es nicht leichter. Jedes Mal war Sierra völlig aufgelöst gewesen, allerdings ohne es zu zeigen. Wenn sie die Nerven verlor, würde es Liam ebenso ergehen, und das Ergebnis könnte tödlich sein.
    Die Dame am anderen Ende schien glücklicherweise völlig unbeeindruckt. „Wir sind bereit, wenn sie da sind“, erklärte sie.
    Sierra dankte ihr und legte das Telefon auf den Sitz.
    Als sie in der einzigen Klinik der Stadt ankamen, kämpfte Liam darum, bei Bewusstsein zu bleiben. Travis bremste vor dem Gebäude scharf ab, hupte laut und war an Sierras Seite, noch bevor sie den Gurt lösen konnte.
    Zwei Krankenpfleger liefen mit einer Trage zu ihnen, ein grauhaariger Arzt begleitete sie. Liam wurde weggetragen. Sierra wollte ihm folgen, aber Travis und eine Krankenschwester hielten sie zurück.
    Ihr erster Impuls war zu kämpfen.
    „Mein Sohn braucht mich!“ Eigentlich wollte sie schreien, aber sie brachte nicht mehr als ein Wimmern hervor.
    „Wir brauchen Ihren Namen und den des Patienten“, informierte die Schwester sie. Sie hielt ein Clipboard in der Hand. „Und natürlich ist da auch noch die Frage der Krankenversicherung ..."
    Travis starrte die Frau finster an. „Ihr Name ist McKettrick“, rief er wütend.
    Sierra brauchte etwas, irgendetwas, sie musste etwas tun, um nicht jeden einzelnen Raum in diesem Krankenhaus auseinanderzunehmen, bis sie Liam gefunden und in die Arme geschlossen hatte. „Meine Tasche“, keuchte sie. „Ich muss sie im Wagen liegengelassen haben ..."
    „Ich hole sie“, meinte Travis, führte sie aber vorher zu einem Stuhl im Wartebereich.
    Tränen der Wut und Angst füllten ihre Augen. Was geschah gerade mit Liam? Atmete er? Zwangen sie womöglich in diesem Moment diesen verhassten Schlauch durch seine Luftröhre?
    Nur ganz kurz nahm Travis ihr Gesicht in beide Hände, seine Handflächen fühlten sich kalt und rau von der Arbeit auf der Ranch an.
    Das Gefühl löste etwas in Sierra aus, aber sie war zu verstört, um zu verstehen, was.
    „Ich bin gleich zurück“, versprach er.
    Und er hielt Wort.
    Sierra riss ihm die Tasche aus der Hand und wühlte in ihrer Geldbörse nach der Versicherungskarte. Eve hatte sie ihr an dem Tag geschickt, an dem Sierra eingewilligt hatte, den Namen McKettrick anzunehmen und mit Liam ein Jahr auf Triple M zu verbringen. Sie hätte diese Karte küssen können, wenn Travis nicht in der Nähe gewesen wäre.
    Die Schwester nickte ihr ein wenig nervös zu, als Sierra zur

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