Winter der Zärtlichkeit
los, ohne seine Ausrüstung.“
Da entspannte sie sich etwas und unterdrückte ein Lächeln. „Travis hat recht“, sagte sie.
Auch Liams Gesicht hellte sich etwas auf. „Essen Cowboys Hackbraten?“
„Da bin ich mir ziemlich sicher“, antwortete Sierra.
Die Heizung ging wieder an. Im Stillen dankte sie Travis Reid dafür, dass er da war.
Ein paar Minuten später kam er in die Küche. Sierra hatte einen Teller für ihn auf den Tisch gestellt und noch mehr Kerzen angezündet. Alle drei setzten sich im gleichen Moment, und dieses Zusammensein erschien Sierra so selbstverständlich, dass sie schlucken musste.
„Ich hoffe, Sie haben Hunger“, sagte sie unbeholfen.
„Ich bin am Verhungern“, erwiderte Travis.
„Cowboys essen Hackbraten, nicht wahr?“, fragte Liam hoffnungsvoll.
„Dieser hier jedenfalls“, lächelte Travis.
„Dieser hier auch“, verkündete Liam.
Sierra lachte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Zum Glück war es nicht sehr hell in dem Raum. Vielleicht blieben ihre Tränen auf diese Weise unbemerkt.
„Einmal“, begann Liam, der gerade eine Portion Hackbraten auf seinen Teller schaufelte und Travis dabei immer wieder bewundernde Blicke zuwarf, „habe ich eine Sendung im Wissenschaftskanal gesehen. Man hat einen in einem Eisblock eingefrorenen Höhlenbewohner gefunden. Er war ungefähr vierzehntausend Jahre alt! Ich wette, die könnten seine DNA nehmen und ihn klonen, wenn sie wollten.“ Er hielt kurz inne, um Luft zu holen. „Er war ganz blau. So wirst du auch aussehen, wenn du heute Nacht in deinem Wohnwagen schläfst.“
„Du bist in Wahrheit kein Kind“, frotzelte Travis. „Du bist ein 40-Jähriger, der ein Zwergenkostüm trägt.“
„Ich bin richtig klug“, fuhr Liam fort. „Es wäre also besser, wenn du auf mich hörst.“
Travis sah zu Sierra, und ihre Blicke verhakten sich mit einem geradezu hörbaren Klicken.
„Wir haben nicht mehr viel Benzin für den Generator“, erklärte Travis. „Insofern bleiben uns zwei Möglichkeiten. Wir fahren alle zusammen in meinem Truck los und hoffen, dass wir im Lamplight Inn noch Zimmer bekommen. Oder wir machen ein Feuer in der Küche und schlagen hier unser Camp auf.“
Liam fiel die Entscheidung leicht. „Kampieren!“, schrie er laut und wedelte mit seiner Gabel in der Luft. „Kampieren!“
„Das meinen Sie nicht ernst“, sagte Sierra zu Travis.
„Natürlich meine ich das ernst“, antwortete er.
„Lamplight Inn“, entschied Sierra.
„Die Straßenverhältnisse sind schlecht“, gab Travis zurück. „Wirklich schlecht.“
„Einmal im Fernsehen habe ich so eine Geschichte gesehen über Leute, die in ihrem Auto erfroren sind“, warf Liam ein.
„Sei still“, befahl Sierra.
„So etwas passiert tatsächlich immer wieder“, nickte Travis.
Und so kam es, dass die drei sich schließlich Seite an Seite in ihren Schlafsäcken auf Sofa- und Sesselkissen als Unterlagen rund um den warmen Holzofen zum Schlafen legten.
7. KAPITEL
1919
H annah und Doss verließen den Stall getrennt, das hatten sie so vereinbart. Auf dem Rückweg pumpte sie mit weichen Knien und schlechtem Gewissen Wasser in einen Eimer, um es in den fast leeren Behälter neben dem Herd zu füllen. Dann setzte sie die beiden größten Wasserkessel auf, die sie besaß.
Als Doss hereinkam, legte sie gerade frisches Holz ins Feuer. Mit vor Wut geröteten Wangen weigerte sie sich, ihn anzusehen. Doch sie spürte, wie sein Blick sich in ihr Fleisch bohrte, durch die Kleider hindurch, die er ihr vor kaum einer Stunde ausgezogen hatte, um sie auf das weiche, überraschend warme Heu zu legen und zu küssen und zu liebkosen, bis sie ihn anflehte, sie zu nehmen.
Ihn anflehte.
„Sieh mich an, Hannah“, sagte er.
Daraufhin starrte sie ihn an, stapfte dann an ihm vorbei in die Vorratskammer und zerrte die große Badewanne heraus, die unter dem hohen Regal lagerte. Mit einem lauten Knall stellte sie die Wanne vor dem Ofen ab.
„Hannah“, wiederholte Doss.
„Geh nach oben“, zischte sie. „Lass mich allein, ich möchte baden.“
„Du kannst nicht wegwaschen, was wir getan haben.“
Sie wirbelte zu ihm herum. „Geh“, befahl sie so leise wie möglich, falls Tobias noch wach war oder sogar oben an der Treppe lauschte. „Ich will allein sein.“
Ergeben hob Doss die Arme, die Handflächen nach oben gestreckt. Doch seine Worte passten nicht zu dieser Geste. „Wenn es darum geht, was du brauchst, Hannah, dann ist es kein Bad,
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