Winter Im Sommer - Fruehling Im Herbst
Ulrike gespielt. Viele Kinder waren da.Viele Eltern und Omis und Opis. Es waren aber auch welche ausm Westen da. Lieber Gott, es war schön! Kaum ein Gebet erschien Katharinas Eltern schöner.
Die Einführung des Wehrkundeunterrichts hat der bis dahin relativ bescheidenen Friedensbewegung einen starken Impuls gegeben. »Schwerter zu Pflugscharen« entwickelte sich 1981/82 zur größten oppositionellen Bewegung in der DDR seit 1953. Sie bezog sich auf ein Symbol, auf das der sächsische Landesjugendpfarrer Harald Bretschneider bei der Vorbereitung zur ersten Friedensdekade im Herbst 1980 hingewiesen hatte: eine Skulptur im Stil des sozialistischen Realismus, ein Geschenk der Sowjetunion an die UNO. Dargestellt ist ein muskulöser Mann, der mit kräftigen Schlägen ein Schwert zu einer Pflugschar umschmiedet. Ein
Bild der Skulptur hatte sogar Eingang gefunden in das Geschenkbuch zur Jugendweihe in der DDR. Als biblische Quelle lag dem Emblem eine prophetische Vision aus dem alttestamentlichen Buch Micha, Kapitel 4, zugrunde: »Kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden fortan nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken. Denn der Mund des Herrn Zebaoth hat es geredet.«
Zunächst war das Symbol »Schwerter zu Pflugscharen« für ein oder zwei Aktionen vorgesehen. Doch die Friedensdekaden, in denen jährlich vom Bußtag bis zum Totensonntag in der ganzen DDR friedensethische Themen diskutiert wurden, entwickelten sich schnell zu einer festen Einrichtung der christlichen Friedensarbeit. Zunächst wurde das Emblem nur als Lesezeichen gedruckt, im Herbst 1981 kam es zusätzlich als Aufnäher in Umlauf, ich habe es zeitweilig auch getragen. Das Vlies war in einer Firma der Herrnhuter Brüdergemeinde produziert worden und unterlag als Textildruck nicht der Genehmigung. Weit über 100 000 Stück wurden verteilt. Das Bewusstsein für Friedensfragen wuchs, obwohl nur relativ wenige Schüler die Teilnahme am Wehrunterricht tatsächlich verweigerten. Zu ihnen gehörte Thomas Abraham aus meiner Jungen Gemeinde.
Thomas stammte aus einer pommerschen Flüchtlingsfamilie. Die Mutter war Lehrerin und Mitglied der Ost-CDU. Sie führte die Familientradition fort und schickte ihren Sohn zur Christenlehre. Thomas, Jahrgang 1965, war zunächst Mitglied der Pioniere, später der FDJ. Im Hort hörte er vom bösen General Pinochet, der den Kindern die kostenlose Schulmilch weggenommen habe. In den Nachrichten hörte er die Meldungen von Arbeitslosen und Drogentoten im Westen, von hungernden Kindern und Unruhen auf der ganzen Welt - von Ereignissen, die in der DDR propagandistisch ausgeschlachtet wurden, aber zweifellos stattgefunden hatten. Bis zur Ausbürgerung von Wolf Biermann glaubte Thomas, in der DDR auf der Seite der Guten zu stehen. Danach begann sein Ablösungsprozess.
THOMAS ABRAHAM ERZÄHLT
Der Durchbruch erfolgte, als ich fünfzehn war. In der Erweiterten Oberschule, wohin ich 1980 aufgrund guter Leistungen nach der achten Klasse delegiert worden war, wurde ich nicht warm. Die Mitschüler starrten mich verständnislos an, als ich im Dezember heulend in die Schule kam. Dabei war John Lennon tot, erschossen! John Lennon, versteht ihr: »Give peace a chance«! Aber sie verstanden nicht. Mit den Langweilern, Angepassten, Linientreuen, Stasi-Kandidaten aus meiner Klasse wollte ich seitdem nichts mehr zu tun haben. Stattdessen intensivierten sich die Kontakte zu einem Mitschüler aus der Parallelklasse, Albrecht Stier, dem Sohn des Pastors aus der Nachbargemeinde.
Als das obligatorische Wehrlager näher rückte, brachte mich Albrecht auf eine Idee: Wir verweigern. Anderthalb Jahre zuvor waren die Sowjets in Afghanistan einmarschiert, wir hörten Gerüchte über eine Intervention in Polen zur Zerschlagung der Solidarność. Frieden? »Verehrte Frau Stengl«, schrieb ich zu Hause an meine Klassenlehrerin, »hiermit teile ich Ihnen mit, dass Thomas an der Wehrausbildung ab 17. Juli 1981 nicht teilnehmen wird, da Glaubens-und Gewissensbedenken vorliegen. Ich bitte darum, ihm einen Ersatzdienst zuzuweisen.« Meine Mutter wurde kurz blass, als ich ihr den Text zum Unterschreiben vorlegte, doch sie unterschrieb. Das rechne ich ihr bis heute hoch an. In meinem Jahrgang waren es drei, die verweigerten: neben Albrecht Stier noch eine Mitschülerin aus meiner Klasse, die in die Junge Gemeinde im Nachbarort ging.
Ich wusste, dass der
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