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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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immer wieder dieselben Nummern, die mehrmals auftauchten.
    Er bemerkte, dass mehrere davon norwegische Nummern waren, und sagte es.
    »Sie besorgen sich norwegische Prepaidkarten und benutzen sie, solange sie sich in Norwegen aufhalten«, erklärte Ahlberg. »Bisher sieht es nicht so aus, als hätten sie Kontakt zu externen norwegischen Nummern gehabt.«
    »Was ist mit spanischen oder dänischen?«
    »Das glaube ich nicht. Das hier sind Gespräche von und nach Litauen und innerhalb des Quartetts.«
    Wisting blätterte das Analysematerial aufmerksam durch und trank dabei seinen Kaffee. Das war ein wichtiges Arbeitsdokument, das die litauischen Männer zeitlich und örtlich lokalisierte.
    Als er zu Ende gelesen hatte, gab er die Mappe zurück und nahm einen der Ringordner mit Fallunterlagen heraus, die er in seinem Handgepäck verstaut hatte.
    Das monotone Geräusch der Motoren machte ihn schläfrig. Schon nach wenigen Seiten ließ er den Ordner auf den Schoß sinken und lehnte den Kopf an das Flugzeugfenster. Draußen lagen die Wolken grau und kompakt.

40
    Die Ankunftshalle des Flughafens in Vilnius war moderner, als Wisting erwartet hatte, mit großen Glasfassaden und einladenden Restaurants. Nach zwanzig Minuten bekamen sie ihr Gepäck und konnten direkt hinausgehen zu einer Reihe wartender Taxis, ohne den Pass oder andere Identitätsnachweise vorzeigen zu müssen. Nach dem Schengener Abkommen waren in der früheren Sowjetrepublik die strengen Grenzkontrollen bei der Ein- und Ausreise abgeschafft worden. Reisende aus anderen Schengenstaaten, die mit dem Auto, dem Schiff, der Bahn oder dem Flugzeug ankamen, brauchten sich beim Grenzübertritt nicht mit Pass oder Visum auszuweisen.
    Es war dasselbe Abkommen, das die Kriminalität in die skandinavischen Länder gebracht hatte. Die EU-Erweiterung im Jahr 2004 hatte den Kriminellen Zugang zu einem großen Markt eröffnet, und nachdem die osteuropäischen Länder 2007 dem Schengener Abkommen beigetreten waren, hatte es bei den Eigentumsdelikten eine dramatische Entwicklung gegeben.
    Der Chauffeur des älteren, aber geräumigen Opels nahm ihnen das Gepäck ab und hieß sie in Litauen willkommen. Martin Ahlberg setzte sich auf den Beifahrersitz und zeigte ihm einen Zettel mit der Adresse der Polizeihauptwache. Der Mann verneigte sich und dankte höflich für die Anweisung. Dann fuhr er vom Terminalgelände, bog auf die Autobahn und raste knapp unter dem Tempolimit in Richtung Vilnius.
    Der Flughafen war nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Die Landschaft vor den Autofenstern wechselte von dichten Wäldern und gepflügten Äckern zu Industriegebieten und hohen, grauen Wohnblocks. Die Sonne brach durch die dichte Wolkendecke und spiegelte sich in den Glasfassaden der Hochhäuser und der neuen Geschäftsgebäude im Zentrum. Riesige Kräne schwenkten ihre Ausleger zwischen den Betonskeletten im Bau befindlicher neuer Häuser.
    Das Polizeipräsidium war ein vierstöckiges Gebäude an der Nordseite des Flusses, der die Stadt teilte. Davor parkten weiße Polizeiautos mit grünen Streifen an den Seiten.
    Martin Ahlberg bezahlte den Fahrer und ging als Erster durch die Glastür. Er stellte sich und Wisting dem uniformierten Mann am Empfang vor und zeigte einen Ausdruck der E-Mail mit dem vereinbarten Treffen.
    Sie waren eine halbe Stunde zu früh dran, aber kurz darauf tauchte ein junger Mann in grauem Uniformhemd mit dunkelrotem Schlips auf und winkte sie durch eine Tür. Er stellte ihr Gepäck in einem Zimmer ab und begleitete sie dann durch das Gebäude. Ihre Schritte hallten im Gleichklang wider, als sie ihm die Treppe hinauf zur obersten Etage folgten. Auf halbem Weg durch den leeren Korridor machte der junge Polizist Halt vor einer Tür mit der Aufschrift Sigitas Lancinskas – Policijos Viršininkas. Es schien, als hätte er Angst, anzuklopfen. Eine junge Frau öffnete die Tür. Sie ließ sie in ein Vorzimmer ein und dankte dem Mann, der die Besucher gebracht hatte.
    Die Frau bat sie, auf einem Sofa Platz zu nehmen, und verschwand durch eine doppelte Holztür ins Nebenzimmer. Gleich darauf kam sie mit einem blassen Mann in den Fünfzigern zurück. Er hatte kurzes, graues Haar und trug eine dicke grüne Uniformjacke mit drei Sternen und Winkeln auf den Schulterstücken. An der Brust prangten mehrere Ehrenabzeichen.
    »Willkommen in Litauen«, sagte er auf Englisch und öffnete die Arme, ehe er sie mit beiden Händen begrüßte. »Mein Name ist Sigitas Lancinskas.

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