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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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aber früher als geplant zurückgekommen ist. Gestern ist er wieder weggefahren.«
    »Was glaubt sie, wo er ist?«
    Der Kriminalchef übersetzte die Frage.
    »Sie weiß es nicht, aber es kann sein, dass er auf dem Markt in Gariunai ist.«
    »Der Markt der Diebe«, kommentierte Martin Ahlberg.
    »Mit wem ist er zusammen?«, wollte Wisting wissen.
    Die Frage wurde weitergegeben.
    Die Antwort kam umgehend zurück: »Sie weiß es nicht.«
    Das Kind begann zu weinen. Die litauischen Polizisten bendeten das Gespräch, ohne dass Wisting irgendeine Form von Höflichkeitsfloskeln heraushören konnte.
    »Was jetzt?«, fragte der Kriminalchef, als das Auto vom Hof zurücksetzte.
    »Es wird nicht lange dauern, dann wissen sie, dass wir nach ihnen fragen«, sagte Wisting.
    »Sie ruft jetzt sicher ihren Bruder an«, bestätigte der Kriminalchef mit einem Kopfnicken und holte eine Packung Zigaretten aus der Manteltasche. »Sollen wir so schnell wie möglich zu dem Letzten auf der Liste fahren?«
    Wisting stimmte zu, zog den Registerauszug von Algirdas Skvernelis aus dem Stapel auf seinem Schoß und reichte ihn nach vorn.
    Der Kriminalchef steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie an, eher er das Blatt entgegennahm.
    »Wir kennen den Bruder dieses Mannes gut«, sagte er und klopfte mit einem Finger auf das Bild. »Er sitzt im Lukiskes-Gefängnis und wartet auf sein Urteil. Er hat ein Ladengeschäft ausgeraubt.«
    Er hielt die Zigarette zwischen die Lippen geklemmt, während er sprach, und kniff die Augen wegen des aufsteigenden Rauchs zusammen.
    »Algirdas ist nur ein kleiner Dieb, vorläufig«, fuhr er fort. »Er wird reden.«
    Auf der Hauptstraße landeten sie hinter einem Pferdefuhrwerk, das hoch und breit mit Heu beladen war. Sie konnten nicht überholen und mussten warten, bis es auf einen Feldweg abbog.
    Wisting bemerkte, dass keines der Häuser, an denen sie vorbeikamen, eine Hausnummer hatte, und nur wenige Straßen waren mit Straßenschildern ausgewiesen. Er fragte sich, wie der Fahrer sich überhaupt hier zurechtfinden konnte.
    Nach zehn Minuten Autofahrt hielten sie vor einem neuen, grauen Steinhaus. Pflüge, alte Motoren und Teile von Lastwagen waren über den Hof verteilt. Ein altes Fahrrad war mit einer riesigen Kette an eine rostige Pforte angeschlossen.
    In ein paar Fenstern war Licht und eine Frau in Wistings Alter schaute heraus, als sie parkten. Sie war klein und schmächtig und hatte ein schmales, blasses Gesicht mit kurzer, gerader Nase.
    Noch ehe sie die Haustür erreicht hatten, wurde sie schon geöffnet.
    Die Polizisten stellten sich vor und die Frau starrte sie aus gläsern wirkenden, blauen Augen an.
    Die Frau sagte etwas auf Litauisch, drehte sich um und ging mit gebeugtem Rücken nach drinnen. Wisting folgte Antoni Mikulskis durch einen kühlen Flur, in dem Wandpaneelen und altersbraune Tapeten die Atmosphäre düsterer als nötig machten. Hier und da fehlten ein paar Fußbodenfliesen, aber das Haus wirkte sauber und gepflegt.
    Sie wurden in eine Stube geführt. Die Lampen im Raum trugen orangefarbene Schirme mit Fransen und braune Brandspuren. Gelbe, verschossene Vorhänge hingen zu beiden Seiten eines Fensters und die einzige Aussicht ging auf ein anderes graues Steinhaus. Ganz oben auf einem leeren Bücherregal stand ein ausgestopfter Vogel, dem jemand ein lebendiges Aussehen hatte geben wollen, indem er ihm den Schnabel leicht geöffnet, die Flügel gespreizt und statt der erloschenen Augen bedrohlich glänzende Glaskugeln eingesetzt hatte.
    Auf einer Konsole unter dem Regal stand ein großer Flachbildfernseher, der den ganzen Raum dominierte. Sein Erscheinungsbild war ein scharfer Stilbruch in all dem Tristen und Alten.
    Die Frau setzte sich auf ein Sofa, das von einem zu den Gardinen passenden Überwurf bedeckt war. Die beiden litauischen Polizisten nahmen ihr gegenüber Platz. Mehr Stühle gab es in der kleinen Stube nicht und Wisting ging in die Küche, um zwei Hocker zu holen.
    »Sie ist die Mutter von Algirdas«, erklärte der Kriminalchef. »Ihr Sohn war seit über einer Woche nicht mehr zu Hause. Er ist in Norwegen und arbeitet.«
    »Weiß sie nicht, dass er zurück ist?«, fragte Wisting.
    Der Kriminalchef stellte ein paar neue Fragen. Die Frau schüttelte nachdrücklich den Kopf.
    »Sie glaubt, er ist immer noch in Norwegen. Er hätte dort drei Monate arbeiten sollen. Er war schon früher dort und er ist ein guter Tischler.«
    »Erzählen Sie ihr von den

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