Winterkartoffelknoedel - Ein Provinzkrimi
genau das, was mir heute noch fehlt. Ein bisschen Seelenqualen.
Wie ich hinkomm, ist sie erwartungsgemäß nicht da und ich muss mich tierisch zusammenreißen, nicht die Fenster einzuwerfen. So ganz klappt es leider nicht, aber es ist nur das Scheunenfenster, wo in Stücke springt. Der Ludwig drückt mir den Kopf gegen den Schenkel und wir wandern heim.
Dort ist gerade der Papa aus dem Krankenhaus entlassen worden und der Leopold hat ihn mit seinem Auto hergebracht. Die Oma hat zur Feier des Tages ein Kartoffelbratl gekocht. Und der Papa macht an seiner Krücke Gehübungen der erbärmlichsten Sorte, in Richtung Plattenspieler. Weil’s mir heute langt, schnapp ich mir meine Essensportion, ein Bier und den Ludwig und verzieh mich in den Saustall rüber.
Am nächsten Tag in aller Herrgottsfrüh klopft jemand an mein Fenster, dass ich gleich vom Kanapee fall. Ich hab schlecht geschlafen und krieg kaum die Augen auf. Und wie ich die Tür aufmach, steht die Roxana davor. Ich bin einigermaßen überrascht, und das sieht sie wohl auch, weil sie gleich das Wort ergreift: »Franz, du musst mir hälfen!Du musst räden mit dem Läobold. Ich hab einen Fähler gemacht. Das passiert doch jädem mal.«
Ich bin noch nicht wach, hab noch keinen Schluck Kaffee getrunken und das Einzige, was mir jetzt einfällt ist: »Schleich dich!«
Ich dreh mich ab und seh aus dem Augenwinkel heraus, dass die Oma grad den Abfall rausbringt. Und die Oma sieht wohl auch aus dem Augenwinkel heraus, dass die Roxana vor meiner Tür steht.
»Ja, du Saumensch, du miserables!«, schreit sie und hetzt übern Hof. »Schau bloß, dass dich schleichst!«
Hinter der Oma erscheint jetzt der Leopold im Schlafanzug, wahrscheinlich durch das Organ von der Oma aufmerksam geworden.
»Läobold!«, ruft die Roxana.
»Roxana!«, ruft der Leopold.
Und sie stürmen aufeinander zu, genau wie in einem Kitschfilm, und fallen sich in die Arme, dass wir nur so schauen.
Der erste Tag als Schülerlotse ist genau so, wie ich’s mir vorgestellt hab. Ich steh da also mit meiner Kelle am Zebrastreifen, bekleidet mit der kompletten Uniform, samt Kappe und weißen Handschuhen. Ein jedes von den Kindern weiß einen blöden Kommentar über mich, vielleicht mit Ausnahme von den Erst- und Zweitklässlern, weil die noch einen Respekt haben vor der Polizei. Ich mag die Sprüche jetzt gar nicht alle wiedergeben, aber doch kurz den vom Bürgermeistersohn: »Ja, der Papa hat gesagt, dem muss er jetzt eine Aufgabe geben, nicht dass der noch völlig am Radl dreht.«
Der zweite Tag war zuerst auch nicht besser, weil: da entdeckt mich nämlich die Oma. Sie hat von einer ihrer Ratschweibererfahren, dass ich jetzt in der Früh und mittags da steh, wo ich steh, und um Viertel nach sieben wackelt sie an. Schreit schon aus der Ferne: »Ja, Franz! Schön, dass ich dich einmal im Einsatz sehen kann! Das machst du hervorragend! Und schneidig schaust du aus! Und du kannst da die Autos so aufhalten, grad so wie du magst, gell?«
»Grad so wie ich mag!«, sag ich.
Und das bringt mich auf eine Idee.
Damit die Oma eine Freude hat und die Kinder auch, beschließ ich jetzt, jedes Schulkind einzeln über die Straße zu führen. Das heißt: Autos anhalten, ein Kind darf rüber, Autos können weiterfahren. Aber höchstens zwei oder drei, dann kommt das nächste Kind. So geht das eine Weile und wir haben eine Mordsgaudi und in null Komma nix einen erstklassigen Stau, mit lauter hupenden Autos. Bei vierzig, fünfzig Schülern kann das schon eine Weile dauern, bis die alle drüben sind. Und der Schulbus kommt glatte zwanzig Minuten zu spät, weil er eben im Stau gestanden ist.
Wie ich hernach in mein Büro komm, muss ich natürlich prompt zum Bürgermeister, klarer Fall. Er ist purpurrot im Gesicht und schlecht gelaunt. Bevor er aber überhaupt einen Mucks von sich geben kann, sag ich: »Aber das ist doch genau das, was Sie wollten, oder? Sicherheit für unsereKinder, weil die unsere Zukunft sind. Und sicherer geht’s nicht, Bürgermeister. Keinerlei Risiko, verstehen Sie. Jedes Kind wird von mir persönlich und einzeln über die Straße geführt. Ja, da lass ich mir doch nix nachsagen! Hernach sagt der Moratschek noch, ich nehm meine Aufgaben nicht ernst. Ach ja, und noch was, Bürgermeister. Der Moratschek möchte gern, dass ich vorm Vereinsheim Rot-Weiß ein paar Scheine kassier. Er sagt, die sind dort alle sturzbesoffen, wenn sie heimfahren.«
Jetzt schaut er schon ziemlich
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