Winterkartoffelknoedel - Ein Provinzkrimi
Geburtsjahr 1944. Das ist offiziell auch die letzte Besitzerin des Sonnleitnerguts. Sie ist 1973 mit ihrem kanadischen Ehemann in seine Heimat umgesiedelt, und bis zu diesem Zeitpunkt waren keine Nachkommen bekannt.
Ja, das hilft mir jetzt auch nicht weiter, weil ich immer noch nicht weiß, wie ich den Ferrari erreichen kann. Die Susi ist ein bisschen angesäuert, weil sie halt natürlich ein Mords-Hurra für ihre Bemühungen erwartet hat. Aber ich kann jetzt auch nicht raus aus meiner Haut.
Am Nachmittag ruf ich dann den Leopold an in seiner blöden Buchhandlung, was mir einigermaßen schwerfällt. Aber er kennt halt lauter gescheite Menschen. Und so was brauch ich jetzt. Ich brauch nämlich jemanden, der sich mit Berechnungen von Entfernungen und Gewichten auskennt.
»Sagen wir, ich hab einen kaputten Karabiner, an dem ein sattes Gewicht hängt. Kann mir da jemand schon vorher berechnen, wann der durchreißt?«, frag ich ihn so.
»Ich glaub schon. Wenn man das ungefähre Gewicht weiß, kann das wahrscheinlich ein jeder, der einigermaßen fit ist in Mathe. Aber zumindest weiß das ein Statiker, vermutlich auch ein Architekt. Aber ich hör mich mal um«, sagt der Leopold und ist unerwartet nett zu mir. Was mirjetzt ein schlechtes Gewissen macht und mich zu diesen Fragen nötigt: »Und sonst? Geht’s dir gut? Hast du noch was von der Roxana gehört?«
Ich bin eine kolossale Schleimsau.
»Die Schlampe hat mir mein Konto abgeräumt. Nicht das geschäftliche, da hat sie ja keinen Zugriff drauf, aber mein ganzes Privatgeld ist weg. Wenn ich sie find, bring ich sie um! Nur dass du das weißt!«
Er ist furchtbar grantig.
»Ja, gut, dass ich das weiß. Tu dir keinen Zwang an und meld dich, sobald du wegen den Berechnungen was rausgefunden hast!«
»Mach ich«, sagt er und legt auf.
Kapitel 13
Wie ich heimkomm, ist ein Trara bei uns am Hof, das kann man gar nicht glauben. Ein Sanka ist da mit Blaulicht und ein Notarzt, und alle sind ganz hektisch. Die Oma kniet in der Wiese hinterm Haus und ich glaub schon, dass wunder was passiert ist. Dann erfahr ich, dass sich der Papa beim Grasmähen mit der Sense zwei Zehen abgeschnitten hat. Er liegt auf einer Trage und ist ganz blass und deutet immer in die Richtung, wo er seine Zehen vermutet. Der Arzt sagt, wenn wir sie schnell finden, kann er sie noch annähen, und so knie ich mich halt auch ins Gras und fang an zu suchen. Ich suche und suche, dann läutet mein Telefon. Wie ich rangeh, meldet sich der Ferrari und ich bin plötzlich ganz aufgeregt.
»Hallo, Baby! Kannst du mich hören? Ich glaub, die Verbindung ist schlecht«, flötet sie mir ins Ohr.
Ich schnauf wie ein Ochs wegen Aufregung, und weil mir die Knie wehtun vom Suchen, und sag: »Nein, wunderbar, die Verbindung ist einwandfrei«, weil mir nix Besseres so spontan einfällt.
»Stör ich dich? Du klingst so aufgeregt. Was machst du denn so Aufregendes gerade?«
»Nix! Nein, gar nix besonderes. Ich such bloß ein paar Zehen.«
Im gleichen Moment wo die Buchstaben meine Lippen verlassen, möchte ich tot umfallen.
»Du sucht ein paar Zehen? Du, Franz, ich glaub, die Verbindung ist doch ziemlich schlecht. Ich hab jetzt verstanden, du suchst ein paar Zehen. Lustig, oder? Ich ruf dich später noch mal an, vielleicht haben wir da mehr Glück!«, spricht’s und hängt auf.
Verdammt! Verdammt!
Ich find einen von den Zehen, schmeiß ihn dem Papa auf die Trage und knurr ihm zu: »Such dir doch deine Scheißzehen selber!«
Dann geh ich in den Saustall.
Ein wenig später fährt der Sanka mit Blaulicht aus dem Hof und die Oma winkt hinterher, wie einem Besuch, den man gern wieder los ist. Dann klopft sie an mein Fenster und schreit: »Du, Franz, heut kriegst zwei Fleischpflanzerl mehr, weil der Papa nicht mitisst.«
Ja, wenn das keine Freude ist.
Den restlichen Abend verbring ich abwechselnd damit, die Nummer vom Ferrari zu wählen oder aufs Telefon zu starren. Die nächsten zwei Tage auch.
Die Zehen vom Papa konnten nicht wieder angenäht werden. Weil sie den einen gar nicht erst gefunden haben und der zweite schon so dreckig war, und ich glaub auch schon ein bisschen abgestorben. Jedenfalls liegt er jetzt im Krankenhaus wie der sterbende Schwan, der Papa, und macht mir einen Flunsch, weil ich mich geweigert hab, seinen zweiten Zeh zu suchen.
»Geh, Papa. Das hätt doch eh nix genutzt. Die haben ja noch nicht einmal den angenäht, wo ich gefunden hab«, sag ich beim Besuch.
»Um das geht’s doch
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