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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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stürmisch! Wir wär’s, wenn wir zwei …«
    Aber da hatte sie sich schon losgerissen und rannte weiter. Sie wich nach links aus, als ihr die Leute aus den vorderen Türen entgegenkamen, rannte an den blauen Sicherheitsstreifen dicht am Wagen entlang und stolperte beinahe über einen Kinderwagen, den eine Mutter umständlich auseinanderklappte. »Also, so was!«, verfolgte sie deren vorwurfsvolle Stimme.
    Sie blickte sich um und erkannte, dass ihr ausgerechnet die übergewichtige Frau einen kleinen Vorsprung verschaffte. Sie war unbeabsichtigt mit dem Killer zusammengeprallt, hatte ihn am Kragen gepackt und schimpfte wie ein Rohrspatz mit ihm. Bis er sich losgerissen hatte und weiterlief, war Sarah schon beim vordersten Wagen und huschte gerade noch hinein, bevor sich die automatischen Türen schlossen.
    Sie blieb keuchend stehen und hielt sich an einer Haltestange fest, blickte durch das Heckfenster und erkannte, dass der Killer wieder nur in den Wagen hinter ihr gekommen war.
    Diesmal wirkte er nicht mehr so siegessicher, eher wütend, weil ihn eine junge Frau immer wieder austrickste. Erneut griff er nach seinem Handy. Sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. Noch einmal würde er sich nicht auf diese plumpe Weise reinlegen lassen.
    Sarah wartete, bis sie wieder bei Atem war, und ihre Gedanken rasten. Was sollte sie nun tun? Am nächsten Bahnhof war sie dem Gangster hilflos ausgeliefert. Nach vorn konnte sie nicht fliehen, dort war nur das Ende des Bahnsteigs. Wenn sie nach hinten rannte, lief sie ihm genau in die Arme. Und wenn sie es wider Erwarten an ihm vorbei schaffte, wartete der Komplize, der ihnen im Auto nachfuhr, auf sie.
    Sie suchte verzweifelt nach einem Ausweg, dachte wieder an ihren Vater, der ihr so viel beigebracht hatte. »Selbst in einer ausweglosen Lage gibt es immer noch Hoffnung«, hatte er gesagt. »Vertrau dem Erbe deines Volkes und glaube an deine Stärke, dann besiegst du auch den mächtigsten Feind.« Aber wie? Wie sollte sie einen gnadenlosen Killer besiegen? Die Polizei anrufen? Brachte nichts. Bis die inGang kamen, hatte der Zug längst die nächste Station erreicht.
    Ihr Blick fiel auf die Notbremse über der Tür. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht! Wenn sie an dem Hebel zog, hielt der Zug mitten auf der Strecke, und die Polizei würde kommen und sie festnehmen. Was Besseres konnte ihr doch gar nicht passieren! Selbst wenn die Polizei ihr nicht glaubte, war sie erst mal vor ihren Verfolgern sicher. Wenn man verfolgt wurde, gab es keinen besseren Unterschlupf als ein Polizeirevier.
    Mit einer gemurmelten Entschuldigung stieg sie über die Füße eines jungen Mannes hinweg, der auf einer der Sitzbänke hing und mit seinem iPhone beschäftigt war. Er war dadurch so abgelenkt, dass er sie nicht bemerkte. Der Zug ratterte in eine Kurve und schwankte stark, als wären die Schienen etwas zu breit geraten. Sarah verlor das Gleichgewicht und fiel auf eine Frau, stützte sich hinter ihr am Fenster ab und entschuldigte sich noch einmal. Sie musste warten, bis der Zug wieder geradeaus fuhr und lief hastig weiter, die Notbremse über der vorderen Tür im Blick.
    Erst als sie sich an zwei schwarzen Jugendlichen vorbeischob, sah sie den uniformierten Polizisten in der Tür stehen. Ebenfalls ein Schwarzer, ein bulliger Kerl mit breiten Schultern und einer platten Nase, die an einen Boxer erinnerte. Deshalb benahmen sich die Jungen also so gesittet. Er starrte gelangweilt ins Leere, beide Daumen hinter den breiten Ledergürtel mit der Pistole und dem Schlagstock gehakt. Einer der Polizisten, die zur Sicherheit der Fahrgäste in den Bahnen mitfuhren, um Pöbeleien und Krawall zu verhindern.
    Selten hatte Sarah sich so gefreut, einen Polizisten zu sehen. Sie ging zu ihm und sagte so leise, dass niemand sonstsie hörte: »Gott sei Dank, dass Sie hier sind, Officer! Ich brauche Ihre Hilfe. Ich werde von einem Mann verfolgt. Er steht im Wagen hinter uns. Er ist mir schon zum Bahnhof nachgelaufen, und als ich an der letzten Station in diesen Wagen umstieg, rannte er mir wieder nach. Sie müssen mir helfen!«
    Der Polizist hatte die Ruhe weg, zog nicht einmal die Finger hinter seinem Gürtel hervor, als er erwiderte: »Sind Sie sicher, dass er Sie verfolgt, Miss? Hat er Sie belästigt? Sie dumm angeredet? Irgendwas Anzügliches gesagt?«
    »Nein, Sir«, antwortete sie. Sie hielt mit der Wahrheit hinter dem Berg, wollte erst damit herausrücken, wenn es gar nicht mehr anders ging, und dann

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