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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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stieß sich von dem Schaufenster ab, ohne auch nur einen Blick auf die Auslage zu werfen, und ging langsam auf den Fußgängerübergang zu. Ihre Bewegungen wirkten verkrampft und aus ihren Augen war der Glanz gewichen, als das Echo der heiseren Stimme in ihrem Kopf nachhallte und immer wieder ihren Namen rief. »Sarah! Komm zu mir, Sarah! Du gehörst mir!«
    In ihren Augen leuchtete die Ampel grün, obwohl sie Rot zeigte, und selbst das laute Schnarren, das Blinden anzeigte, dass sie die Straße nicht überqueren durften, zog sie wie ein Magnet nach vorn. Von einer unsichtbaren Kraft gezogen, lief sie durch das Schneetreiben.
    In ihrem Kopf war ein hässliches Lachen, als sie auf den Zebrastreifen trat. »Komm zu mir, Sarah!«, rief die heisere Stimme. Sie lief vor einen heranfahrenden Lieferwagen, sah nur noch das entsetzte Gesicht des Fahrers und hörte das schrille Kreischen der Bremsen. Dann wurde es schwarz vor ihren Augen und sie spürte gar nichts mehr.
    Lieutenant Karen Havelka zeigte dem uniformierten Polizisten am gelben Absperrband ihre Marke und hatte bereits die zugedeckte Leiche im Blick, als sie den Tatort betrat. Sie trug einen gefütterten Polizeianorak über ihrem Hosenanzug und hatte ihre kurzen, blond gefärbten Haare unter einer Strickmütze versteckt. Sie war um die vierzigund schien sich wenig darum zu kümmern, dass man ihr dieses Alter auch ansah. Sie trug kaum Make-up. »Was haben wir?«, fragte sie einen Uniformierten.
    Der Polizist war noch jung und hatte großen Respekt vor seiner Vorgesetzten. »Eine weibliche Leiche, Ma’am. Eine Indianerin. Sie muss vom Dach gesprungen sein.« Er blickte an dem Haus empor. »Oder man hat sie gestoßen.«
    »Das klären wir noch, Officer. Wer hat die Leiche entdeckt? Hat jemand gesehen, wie sie gefallen ist?« Sie wurde ungeduldig. »Nun lassen Sie sich doch nicht alles aus der Nase ziehen!«
    »Der Türsteher, Ma’am.« Er blickte auf den älteren Mann in der roten Fantasieuniform. Sie … die Leiche ist ihm praktisch vor die Füße gefallen. Ich hab ihm gesagt, dass Sie wahrscheinlich noch ein paar Fragen an ihn haben.«
    »Okay«, erwiderte sie mürrisch. Sie war gerade beim Abendessen mit ihrem Verlobten gewesen, als die Meldung von dem Mord oder Selbstmord über ihr Handy gekommen war, und nicht besonders glücklich über die Unterbrechung. Harry ertrug es ohnehin nur unwillig, mit einer Polizistin mit höherem Dienstgrad liiert zu sein. Er war Anwalt.
    »Sorgen Sie dafür, dass die Schaulustigen verschwinden, Officer!« Sie ließ den Polizisten stehen und ging zu dem Opfer. Eine junge Frau der Crime Scene Unit zog die silberne Decke von der Toten. »Wir haben auf Sie gewartet, Ma’am. Sergeant Dexter ist auf dem Dach und checkt die Spuren.«
    Havelka wischte sich einige Schneeflocken wie lästige Insekten aus dem Gesicht und betrachtete das Opfer näher. Eine Indianerin, der junge Officer hatte recht. Mitte zwanzig, elegant gekleidet, sorgfältiges Make-up. Entweder gutverheiratet oder ein gut bezahlter Job. Unter ihrem schlanken Körper hatte sich eine dunkle Blutlache gebildet.
    Sie hob eine Hand der Toten an. Kein Ehering, dafür ein kostbares Türkisarmband. Keines dieser klobigen Dinger, die man auf jedem Flohmarkt bekam, sehr viel dezenter und kostbarer. Keine blutigen Schrammen, keine Blutergüsse, keine Hautfetzen unter den Fingernägeln, die auf einen Kampf hingewiesen hätten. Wenn sie einen gewaltsamen Tod gestorben war, hatte sie ihren Mörder gekannt. Ihre Hände wirkten sehr gepflegt, selbst jetzt noch, nach einem Sturz aus dem zwanzigsten Stock.
    »Sieht nach Selbstmord aus«, sagte der Medical Examiner, ein gut aussehender Mann in ihrem Alter, der schon seit einigen Monaten versuchte, sie zu einem Date zu überreden. Er war unbemerkt neben sie getreten. »Genaueres kann ich dir allerdings erst sagen, wenn ich sie auf dem Tisch habe. Bei einer Frau, die von einem Hochhaus gestürzt und auf Asphalt gefallen ist, sollte man mit schnellen Diagnosen sehr vorsichtig sein. Sie hat sich so ziemlich jeden Knochen gebrochen, und ihre rechte Gesichtshälfte …«
    »Das sehe ich, Jerry«, erwiderte sie. Sie legte den Arm zurück und strich der Toten eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Und du hast nichts gefunden, was auf einen gewaltsamen Tod hinweisen könnte? Versteckte Schusswunden? Hämatome? Sonst irgendetwas?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Aber wie gesagt, ich muss sie erst genauer untersuchen. Ich bin keiner dieser

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