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Winterkinder: Drei Generationen Liebe und Krieg (German Edition)

Winterkinder: Drei Generationen Liebe und Krieg (German Edition)

Titel: Winterkinder: Drei Generationen Liebe und Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Owen Matthews
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Graduiertenaustausch mit der Staatlichen Universität Moskau teilzunehmen. Die Tatsache, dass die Behörden ihm die Einreise gestatteten, war Beweis genug, schloss er erleichtert, dass der KGB die Vergangenheit Vergangenheit sein ließ. Zurück in Moskau, ließ Mervyn schnell seine alten Freundschaften wieder aufleben – mit Ausnahme der von Alexei und Wadim allerdings.
    Mervyn hatte genug von dem Leben, das er in seinen früheren Inkarnationen geführt hatte. Er war 31 Jahre alt und bereit, sesshaft zu werden. Waleri Golowister erzählte Mervyn von einem wunderbaren Mädchen, das genau zu ihm passen würde. Golowister beobachtete seine Mitmenschen offenbar sehr viel genauer als sein Freund und Cousin Waleri Schein, der Mervyn überreden wollte, mit den unverschämten, modischen und hübschen Mädchen seines schnelllebigen Freundeskreises auszugehen.
    Nein, das Mädchen, an das Waleri für Mervyn dachte, war so intellektuell und romantisch wie er, dazu aber kühn und geistreich. Mervyn war interessiert, fand die Vorstellung einer Verabredung mit einer Unbekannten aber entsetzlich. Er fragte, ob er Waleris Freundin Ljudmila nicht vielleicht sehen könnte, ehe sie einander offiziell vorgestellt würden.
    Waleri schlug vor, Mervyn solle nach einer Vorstellung vor dem Eingang des Bolschoi-Theaters warten; so könne er einen Blick auf seine künftige neue Freundin erhaschen. Nur jemand aus einer völlig unschuldigen Zeit konnte so ein Arrangement überhaupt in Erwägung ziehen, das eher in ein Stück von Molière passen wollte als zum Beginn einer Romanze in der wirklichen Welt. Trotzdem wartete Mervyn pflichtschuldigst im Schneetreiben eines Oktoberabends vor dem Bolschoi-Theater und erhaschte tatsächlich einen Blick auf eine winzige junge Frau, die leicht hinkte und angeregt mit Waleri plauderte, als sie aus dem Theater kamen.
    Golowister richtete in seinem Zimmerchen eine kleine Teeparty aus. Mervyn wurde als Este vorgestellt – ein echter Engländer hätte zu viel Unbehagen unter den Gästen hervorgerufen. Mila erinnert sich, dass ihr an dem schüchternen »Esten« vor allem sein schöner langer Rücken aufgefallen war. Und Mervyn fielen Milas freundliche graublaue Augen auf. In seinem Tagebuch, das er sporadisch und in unbeholfenem Walisisch schrieb – als Vorsichtsmaßnahme gegen den KGB –, vermerkte er am 28. Oktober 1963, er habe ein Mädchen von »großer Charakterstärke, aber höchst charmant und intelligent« kennengelernt. Sie verabredeten sich. Sie gingen lange zusammen spazieren und redeten stundenlang. Schon bald war mein Vater ein regelmäßiger Gast in dem winzigen Zimmer meiner Mutter in der Starokonjuschenny-Pereulok.

    Meine Mutter und ich waren während eines ihrer alljährlichen Besuche in Moskau einmal zusammen in ihrer alten Wohnung, 30 Jahre, nachdem sie weggezogen war. Das Haus steht ein bisschen von der Straße zurückgesetzt, man geht durch zwei Torbögen voller nicht abgeholtem Müll. Es ist ein hässliches Gebäude aus der Zeit um die Jahrhundertwende, gedrungen und streng, mit dicken Mauern und vergitterten Fenstern im Erdgeschoss. Im Hausflur roch es nach nasser Pappe und Schimmel, und der Zugang zu der Gemeinschaftswohnung im Erdgeschoss war mit abblätternden Schichten brauner Amtsfarbe bedeckt. Die alten Klingeln existierten noch, eine für jedes Zimmer der kommunalka . Ich drückte auf den Knopf, den mein Vater 1963 zum ersten Mal gedrückt hatte, zögernd und mit einem Strauß Nelken in der Hand, und dann wieder 1969, als er Ljudmila mit nach England nahm. Eine junge Frau öffnete die Tür, hörte zu, als wir erklärten, dass meine Mutter einst dort gelebt hatte, und ließ uns mit einem scheuen Lächeln ein. Sie und und ihr Mann und die alte Frau, mit der sie die kommunalka teilten, würden bald ausziehen, sagte sie. Das Gebäude sollte entkernt und dann von der Moskauer Stadtverwaltung an einen Investor verkauft werden, der Luxuswohnungen daraus machen wollte.
    In der Wohnung war nicht viel zu sehen: ein breiter Flur mit welligem Linoleumboden, sich ablösenden Tapeten und an jeder Tür einem eigenen Schloss. Am Ende des Flurs lag eine schmutzige Küche, deren Decke sich unter dem Gewicht des über Jahre angesammelten alten Fetts ablöste und aus deren Wand abgeklemmte Gasleitungen für stillgelegte Herde ragten.
    Das Zimmer meiner Mutter, kaum mehr als ein Abstellraum, diente nun einer schlafenden Zweijährigen als Kinderzimmer. Meine Mutter sah sich um, ohne eine Regung

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