Winterkrieger
Ulmenetha ihn gefragt.
»Es genügt, dass ich es tue«, hatte er geantwortet. »Es bedarf keiner Erklärung.«
Er dachte jetzt darüber nach, erinnerte sich an den schrecklichen Tag, als er nach Hause kam und seine Familie ermordet vorfand, wie er ihre Leichen sah und sie zu Gräbern trug, die er selbst schaufelte. Er hatte sie begraben, und mit ihnen hatte er seine und ihre Träume begraben. Alle ihre Hoffnungen und Ängste waren der Erde anvertraut und ein Teil von ihm war dort bei ihnen geblieben, in der kalten, von Würmern durchwühlten Erde.
Er sah sich im Lager um. Ulmenetha schlief im Wagen. Nogusta mochte die Priesterin. Sie war eine zähe Frau, und an ihr war nichts Nachgiebiges. Er stand auf, ging um das Feuer herum und betrachtete die schlafenden Kinder. Conalin war ein mürrischer Junge, aber er war wie Stahl. Die beiden Mädchen kuschelten sich unter einer Decke aneinander. Die kleine Sufia hatte den Daumen im Mund und schlief friedlich.
Nogusta schlenderte zum Rand des Lagers. Durch eine Lücke zwischen den Bäumen konnte er die schwarze Silhouette der Berge vor dem dunkelgrauen Nachthimmel sehen. Er hörte Kebra kommen.
»Kannst du nicht schlafen?« fragte er den Bogenschützen.
»Ich habe ein bisschen geschlafen. Aber ich werde langsam zu alt, um an kalten Nächten auf nacktem Boden meine Freude zu haben. Meine Knochen haben was dagegen.«
Die beiden Männer schwiegen und atmeten tief die kalte, reine Nachtluft ein. Dann sprach Kebra weiter. »Die Reiter, die wir getötet haben, hatten Proviant für etwa drei Tage dabei. Also werden sie vermutlich noch eine Weile nicht vermisst.«
»Wollen wir es hoffen.«
»Ich habe keine Angst zu sterben«, sagte Kebra leise. »Aber ich habe Angst.«
»Ich weiß. Ich fühle das gleiche.«
»Hast du einen Plan?« fragte der Bogenschütze.
»Am Leben bleiben, alle Feinde töten, die Küste erreichen, ein Schiff suchen.«
»Alles sieht immer freundlicher aus, wenn man einen Plan hat«, meinte Kebra. Nogusta nickte, dann verhärtete sich seine Miene. Der schwarze Mann fuhr sich mit der Hand über den rasierten Schädel. »Die Kräfte des Bösen versammeln sich, und alle Hoffnung liegt in den Händen von drei alten Männern. Ich könnte fast anfangen, an die QUELLE zu glauben. Der Sinn für Humor hierbei hat geradezu kosmische Ausmaße.«
»Nun, mein Freund. Ich glaube. Und wenn ich drei alte Männer aussuchen müsste, um die Welt zu retten, würde ich dieselben wählen, die sie gewählt hat.«
Nogusta kicherte. »Ich auch, aber das macht uns bloß zu arroganten alten Männern.«
Zwei Tage lang suchte Antikas Karios im Westen. Jetzt ritten er und seine Männer auf ihren erschöpften Pferden in Usa ein. Die Männer waren nicht weniger müde und saßen zusammengesunken in ihren Sätteln. Sie hatten die Bronzehelme abgenommen und sie an die Sattelknäufe gehängt Ihre Kleider waren voller Reisestaub, die weißen Umhänge schmutzig. Antikas sah sich zwei unangenehmen Wahrheiten gegenüber Erstens, dass die Flüchtenden sich nach Süden gewandt haben mussten, und zweitens, dass Vellian ihn entweder verraten hatte oder tot war. Das letztere war eher unwahrscheinlich. Dagorian war zwar ein guter Schwertkämpfer, aber er hätte nicht fünf verdiente Soldaten besiegen können.
Antikas erinnerte sich an die Akte, die er über den jungen Offizier gelesen hatte. Als Sohn eines Heldengenerals hatte Dagorian nie Soldat werden wollen. Tatsächlich hatte er sich sogar zwei Jahre lang zum Priester ausbilden lassen. Den Berichten zufolge hatte Druck von Seiten der Familie ihn dazu gebracht sich im Regiment seines Vaters einzuschreiben. Diese Tatsachen allein hätten den meisten Menschen nicht viel bedeutet aber dem scharfen Verstand von Antikas Karios enthüllten sie viel. Priester zu werden verlangte nicht nur eine immense Verpflichtung und Glauben, sondern auch die Bereitwilligkeit alles Begehren des Fleisches beiseite zu stellen. Eine solche Entscheidung traf man nicht leichtfertig, und sobald ein Mann sie getroffen hatte, hielt sie ihn in eisernen Ketten. Aber Dagorian hatte diese Ketten auf Druck seiner Familie hin abgeschüttelt. Seine Verpflichtung gegenüber seinem Glauben war also geringer gewesen als die gegenüber seiner Familie. Dies war entweder ein Zeichen einer schwachen Persönlichkeit oder zeigte einen Mann, der immer die Bedürfnisse anderer über seine eigenen stellte. Oder beides.
Antikas war nicht beunruhigt als Malikada den Tod des Offiziers
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