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Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melina Marchetta
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Pietrodore, als noch alle beisammen gewesen waren. Froi bekam nicht sehr viel mit von dem Gespräch, aber er sah die ernsten Mienen und hörte immer wieder die Worte „Moss“ und „Grab“, was seltsam war, denn Moss war ja mit ihnen hierhergekommen. Und dann hörte er es noch einmal, und diesmal klang es wie „Massengrab“, aber alle redeten so schnell, dass er Mühe hatte, sie zu verstehen. Dann ging der Hauptmann weg, ohne ein Wort zu sagen. Die Hände über den Kopf geschlagen, kauerte er lange Zeit am Flussufer und rührte sich nicht. Als er wieder aufstand, hatte er keine Tränenspuren im Gesicht, der Hauptmann war ja keine Heulsuse. Aber er sah aus, als würde er am liebsten jemandem den Hals umdrehen. Deshalb ging Froi ihm lieber aus dem Weg und machte sich nützlich, indem er sich um den Priesterkönig kümmerte. Der alte Mann litt unter den Strapazen der Reise und war erleichtert, als Sir Topher ihm einen Platz zum Ausruhen in Aussicht stellte. Froi konnte den Priesterkönig gut leiden, weil er ihn behandelte, als wäre er genauso wichtig wie alle anderen. Und wenn er Froi Worte in Lumaterisch beibrachte, dann lachte er nicht wie die anderen über seine komische Aussprache, sondern verbesserte ihn einfach.
    Schweigend setzten sie ihren Weg fort, bis sie zu einer Lichtung kamen, wo mindestens zehn verschiedene Abzweigungen in alle Richtungen führten. Froi saß hinter Perri auf dem Pferd und sah sich die Wegweiser an. Das also war die Kreuzung. Finnikin erklärte, dass die Grenze von Lumatere nur etwa einen Tagesritt entfernt war. An einem großen Pfosten zeigten viele Pfeile die Richtungen an und viele Wörter standen dabei. Sir Topher las sie laut vor, denn sie waren in Belegonisch geschrieben: Ostwärts ging es zur Grenze zwischen Charyn und Osteria, südwärts nach Belegonia, westwärts nach Sendecane und nordwärts nach Lumatere. Irgendjemand hatte die Buchstaben von „Lumatere“ weggekratzt. So als gäbe es das Königreich nicht mehr. Finnikin nahm einen Stecken und zog die Buchstaben wieder nach. Es gab allerdings auch einen Pfeil, bei dem gar nichts stand. Und ausgerechnet diesen Weg schlug der Hauptmann ein. Froi kapierte nicht, wieso er ausgerechnet einen so schmalen Pfad wählte, denn „Weg“ konnte man ihn kaum nennen. Aber keiner würde es je wagen, die Entscheidungen des Hauptmanns in Zweifel zu ziehen.
    Sie waren stundenlang unterwegs. Froi kam es vor, als wäre es bereits Nacht, denn die Bäume standen so dicht, dass fast kein Licht durch die Kronen drang. Aber dann sah er in der Ferne einen hellen Schein. Gleich darauf ging der Wald in eine Wiese über, wie Sir Topher es ausdrückte, und diese Wiese hatte wunderbar saftiges Gras und dazu so viele gelbe Blumen, dass Froi allein vom Hinschauen die Augen wehtaten. Aber wegschauen wollte er auch nicht, weil der Schmerz ein besonderer war, einer, den er noch nie verspürt hatte. Und so stapfte er durch das dichte, hohe Gras mit den vielen gelben Blumen und achtete genau darauf, wie es sich anfühlte.
    Am anderen Ende der Wiese stand eine verlassene Scheune. Die Fensterläden oben am Dach hingen schon ganz schief in den Angeln und drinnen roch es nach allen möglichen Tieren. Dort setzten sie den Priesterkönig ab, und der Hauptmann sagte, dass sie in diesem Versteck fürs Erste sicher seien und niemand sie hier aufspüren werde. Froi und Evanjalin sollten bei dem alten Mann bleiben, während er mit den anderen Richtung Westen zur Straße nach Sendecane reiten würde. Dort wartete Ced in einem Gasthaus auf sie, um sie zu dem seltsamen Grab zu führen, von dem die Rede gewesen war. Und die ganze Zeit über tat jeder so, als wäre alles in bester Ordnung.
    Überhaupt waren diese Leute sehr gut darin, anderen etwas vorzuspielen. Als Evanjalin sich widerstandslos fügte und beim Priesterkönig blieb, tat Finnikin so, als merkte er gar nicht, wie müde und blass sie war. Froi wusste nicht, was er tun sollte, und wünschte sich, jemand würde kommen und ihn auffordern, sich nützlich zu machen, damit er nicht dastehen und diese Abschiede mit ansehen musste.
    Finnikin wiederholte immer wieder, dass sie nur eine kleine Verschnaufpause brauchten und es danach bestimmt viel besser ginge.
    Froi versuchte ihm zu sagen, dass den Priesterkönig das Fieber erwischt hatte, das sähe man doch auf den ersten Blick. Aber dann befahl ihm Perri, sich nützlich zu machen und Wasser vom Fluss zu holen, sodass Frois Wunsch fast in Erfüllung ging. Denn fast

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