Winterlicht
nicht jedoch der Priesterkönig. Sir Topher und Trevanion hatten darauf bestanden, dass er mitkam. Die beiden Gruppen würden an der Weggabelung getrennte Wege gehen. Der Priesterkönig würde seine Leute westwärts nach Belegonia führen, und Finnikin und die anderen würden im Süden nach Trevanions Garde suchen. Aber einen Tag lang würden sie Seite an Seite marschieren.
Finnikin konnte nicht anders, als seinen Vater immer wieder von der Seite her anzustarren.
„Was ist?“, grummelte der Hauptmann.
Finnikin zuckte die Schultern. „Nichts. Ich habe lediglich Evanjalin sagen hören, dass eine Spatzenfamilie eine Bittschrift an den König von Sorel gerichtet hat, um endlich von deinen Haaren befreit zu werden.“
Der Priesterkönig schnaubte vor Lachen und nach kurzem Zögern stimmte Trevanion ein. Finnikin wurde es ganz warm ums Herz. Trevanion schlang den Arm um ihn wie ein Schäfer seinen Hakenstab um das Lamm und zog ihn an sich. Als er ihn wieder losließ, bedauerte Finnikin, dass sie nicht noch ein wenig länger so miteinander gegangen waren.
An der Weggabelung blickte Finnikin den Vertriebenen nach, die in langen Reihen Richtung Osten marschierten. In ihren Gesichtern las er eine Mischung aus Sorge und Hoffnung.
„Auf ein Wiedersehen in Belegonia“, sagte der Priesterkönig.
„In der Stadt Lastaria an der Küstenstraße“, erinnerte Finnikin ihn, als sie sich zum Abschied umarmten. Er stand neben Sir Topher und sah zu, wie sich Evanjalin bereits gen Süden wandte, zusammen mit Froi und Trevanion.
„Erlösung erkauft mit Blut, sagtet Ihr?“, seufzte Sir Topher.
Der Priesterkönig nickte. „Aber gleichwohl eine Erlösung, Sir Topher.“
Zweiter Teil
Die Getreuen des Königs
Kapitel 11
T agelang ging heftiger Regen auf Sorel nieder und zwang sie, in einer Scheune zu rasten, da die Straße nach Süden unpassierbar geworden war. Ihre Suche gestaltete sich von Anfang an schwierig. Sie führte in jenes Königreich, das am meisten vom Krieg verheert worden war. Während Sir Topher Froi in Lumaterisch unterrichtete, brüteten die anderen über ihren Karten, um Ausweichrouten in die Felsendörfer von Yutlind Süd zu finden. In einem dieser Dörfer, so glaubte Trevanion, hielten sich seine Männer versteckt. Die gängige Route hätte nach Belegonia geführt, das im Norden an Yutlind grenzte. Aber Trevanion galt in allen Königreichen als Ausgestoßener und der Weg nach Belegonia war viel zu gefährlich. Wenn sie nach Westen reisten, durch Sorel zum Hafen, würden sie nicht nur an den Bergwerken vorbeikommen, sondern müssten auch ein gefährliches Wasser überqueren, den Golf von Skuldenore.
„Da kreuzen Piratenschiffe“, warnte Finnikin. „Bestochene Hafenmeister geben den Räubern Hinweise und halten hinterher die Hand auf.“
„Bestechung in Sorel? Du beliebst zu scherzen“, sagte Sir Topher trocken, als er sich zu den anderen gesellte.
„Selbst wenn wir es schaffen, in Yutlind an Land zu gehen“, fuhr Finnikin fort, „hilft uns das noch nicht weiter. Die schlimmsten Kämpfe finden im Norden statt und die Yuts greifen immer zuerst an und stellen später Fragen. Ich schlage vor, wir gehen über die Berg e … bis hierhe r …“ Er deutete auf die unabhängige Küstenprovinz Sif, südlich von Sorel. „Wir zahlen Fahrtgeld auf einem Kaufmannsschiff nach Süden. Am Fluss Yack gibt es einen kleinen Hafen. Von dort aus dringen wir weiter ins Land vor.“
„Im Süden herrscht ein großes Durcheinander, Finnikin“, wandte Sir Topher ein. „Keiner weiß, wer das Sagen hat, wer etwas verbrochen hat, wer Freund ist oder Feind.“
„Dann sind eine Gruppe von Vertriebenen aus Lumatere und ein entlaufener Sträfling sicher das Letzte, was die Leute dort beschäftigt.“
„Dann reisen wir also nach Sif“, entschied Trevanion.
Nach der Finsternis der Minengruben und Fieberlager, nach der stickigen Enge der überfüllten Scheune, in der Körperausdünstungen seine Sinne vernebelt hatten, war Finnikin erleichtert, endlich die schneebedeckten Berge zu sehen. Obwohl ihr Anblick aus der Ferne ihn entzückte, hätte er sich nie vorstellen können, wie furchtbar ihre Schönheit sein würde, wenn er ihr ausgesetzt war. Die Nächte in den Bergen waren bitterkalt. Der eisige Wind ließ die Gesichter erstarren, der Stoff, mit dem sie Mund und Nase umwickelt hatten, war durchnässt von Speichel und Schleim.
Tagsüber sprachen sie wenig. Der Wind war so stark und der Pfad so ermüdend, dass sie ihre
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