Winterliebe: eine Anthologie aus fünf sinnlich-romantischen, humorvollen und homoerotischen Love Storys (German Edition)
die Dusche im Bad anging, und machte es mir im Bett noch einmal bequem. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis er mich zum Frühstück rufen würde.
Gedankenverloren schaute ich zum Fenster. Robert hatte die Jalousien geöffnet, bevor er das Zimmer verlassen hatte.
Der Himmel zeigte sich im gleichen Grau wie gestern und es schneite immer noch. Natürlich war Robert ganz begeistert vom ersten Schnee, mir ging es jetzt schon auf die Nerven. Wie gewöhnlich verursachte das erste Schneetreiben ein einziges Chaos auf den Straßen. Robert konnte das ja egal sein. Sein Job ließ sich auch gut zu Fuß erreichen. Ich hingegen war auf mein Auto angewiesen. Von hier bis zum Büro brauchte ich für gewöhnlich 45 Minuten, gestern waren es gleich zwei Stunden gewesen. Die Mischung aus Schnee und Idioten, die Ende November immer noch mit Sommerreifen durch die Gegend fuhren, brachte meine Nerven an den Rand der Belastbarkeit. Im Schneckentempo über die Autobahn ...
Nein, von mir aus hätte sich der Schnee gern noch eine Weile Zeit lassen können. Bis zum Winterurlaub im Februar. Die einzige Woche im Jahr, in der ich mich mit der Kälte und dem Schnee anfreunden konnte.
Ich bin eindeutig ein Sommertyp. Ich mag Hitze, ich mag Sonne, Strand und nackte Körper ... vorzugsweise unter mir! Gut, da gab es seit mehr als einem halben Jahr nur noch einen Körper, den ich unter, über oder neben mir spüren wollte. Und erstaunlicherweise nicht nur nackt. Nein, Robert hatte sich in mein Leben geschlichen und ich wusste, dass er genau da hingehörte. In mein Leben. Zu mir!
Als wir uns kennenlernten, lag der Winter in den letzten Zügen und nun, nun kam er schon wieder und wir waren immer noch zusammen. Und ich hätte nicht einen Tag davon verpassen wollen, hatte jede Sekunde genossen. In stillen sentimentalen Momenten dachte ich tatsächlich über eine gemeinsame Zukunft nach, stellte mir vor, wo wir in zehn Jahren sein würden, wie unser Leben verlaufen könnte.
Na ja, in stillen sentimentalen Momenten ... Sagen würde ich so etwas natürlich nicht und selbst es zu denken war merkwürdig surreal. So surreal, wie der anhaltende Schneesturm vor dem Fenster. Dieser Tag war dazu gemacht, ihn im Bett zu verbringen oder wahlweise auf dem Sofa, mit einem guten Film.
„Dauert es noch lange?“, rief ich auf gut Glück in den Raum. Mein Magen fing an zu knurren und das Gepolter nebenan machte mich doch ein wenig neugierig.
„Bin gleich fertig. Sei nicht so ungeduldig!“, meckerte er zurück und ich konnte seinen empörten Gesichtsausdruck auch durch die geschlossene Tür vor mir sehen.
„Hmm …“, gab ich nur unbestimmt zurück und starrte erneut aus dem Fenster.
Plötzlich fiel mir es mir wie Schuppen von den Augen. Heute war der erste Advent! Die letzten Wochen vor Weihnachten. Der Endspurt für die stressigste Zeit im Jahr.
Ich hatte grundsätzlich nichts gegen Weihnachten, nur dieser Rummel darum, der ging mir auf die Nerven. Die kitschigen Dekorationen, die Weihnachtsmänner, die entweder bunt leuchteten oder beim Vorbeigehen „Merry Christmas!“ riefen, die waren mir ein Graus.
Nicht zu vergessen, dass sich die meisten Menschen gerade in der Vorweihnachtszeit so merkwürdig verwandelten. Entweder liefen sie mit einem dauerfröhlichen Grinsen und einem „Jingle Bells“ auf den Lippen herum. Nichts war zu anstrengend, kein Geschäft zu voll, kein Glühwein zu heiß und kein Geschenk zu sinnlos, um es nicht zu kaufen.
Im Gegensatz zu den Leuten, die während der Weihnachtszeit in Depressionen verfielen, ihr schlimmes Leben beklagten und denen erst jetzt bewusst wurde, dass sie keinen Partner hatten. Weshalb sie die einschlägigen Partnervermittlungsagenturen bestürmten und wenn das nichts brachte, direkt zu den Selbstmordratgebern wechselten. Denn nichts war schlimmer, als an Heiligabend allein zu sein, dann lieber tot. Was für Idioten!
Und ich, ich gehörte einer kleinen Minderheit an. Ich hatte kein Problem damit, an Weihnachten allein zu sein und ich ließ mich auch nicht auf den Konsumterror ein. Ich brauchte keine Weihnachtslieder, keine Lichterketten und auch keine Beziehung, um die letzten Tage des Jahres zu überstehen.
Es war nicht so, dass ich grundsätzlich etwas gegen Weihnachten hatte. Ich ging zur Weihnachtsfeier in der Firma, ich nahm auch die eine oder andere Einladung meiner Freunde an. Manchmal raffte ich mich sogar dazu auf, ein Geschenk zu kaufen. Ansonsten verbrachte ich meine freie Zeit gern
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