Winterliebe: eine Anthologie aus fünf sinnlich-romantischen, humorvollen und homoerotischen Love Storys (German Edition)
ein Jahr zuvor aufgegeben, hätte er ihn niemals entdeckt. Alles wäre weiterhin seinen normalen Gang gegangen, ein stetiger Fluss.
Doch so hatte sich an diesem Tag alles für Cai verändert.
Es war ein Dezembertag, der Achte, um genau zu sein, und der Junge hatte alle Wünsche, die ihm der Nikolaus zwei Tage zuvor nicht erfüllt hatte, schnell noch unter seine Liste gequetscht. Das hatte Cai die andere Stiftart verraten, die zu dem Set gehörte, welches noch im Nikolausstiefel steckte. Er hatte den Brief nicht wie viele andere Kinder in sein Zimmerfenster gelegt, sondern in die Küche.
Und genaugenommen war dies der Anfang zu seiner, wie Wilbur es nannte, Obsession gewesen. Denn an diesem kalten, verschneiten Dezemberabend hatte Cai durch das beschlagene Fenster geblickt und den Jungen zusammen mit seiner Mutter beim Plätzchenbacken gesehen. Der Spaß, diese unglaubliche Freude, welche er dabei ausstrahlte, hatte Cai fasziniert. Dabei sah er solche Bilder häufig, obwohl es in den letzten Jahren arg zurückgegangen war, aber hier war etwas anders.
Bis heute konnte er nicht sagen, was es gewesen war, doch seit jenem Abend wurde es für ihn ein wiederkehrendes Ritual zu Weihnachten. Sein Weihnachtsgeschenk, obgleich er nicht in der Position war, ein solches überhaupt einzufordern. Er sog den Duft des sicherlich köstlichen Gebäcks ein, ergötzte sich eine Weile an dem Anblick, bis es Zeit war, weiterzuziehen. Mehr war es nicht, mehr konnte es nicht sein. Was sollte es auch sein?
Mit den Jahren waren die Kreationen feiner und perfekter geworden, die Freude des nunmehr jungen Mannes war geblieben und damit auch seine eigene. Jetzt war jedoch etwas passiert, etwas gravierendes und Cai … ja, er sorgte sich, obwohl ihm solche Gefühle fremd sein sollten.
„Wilbur!“, flehte er daher und sah seinen Freund, seinen einzigen, nebenbei bemerkt, eindringlich an.
„Nein! Vergiss es!“, versuchte dieser hart zu bleiben, doch Cai sah bereits, dass seine Abwehr bröckelte.
„Bitte!“, setzte er hinterher, was zur Folge hatte, dass Wilbur sich wütend aufplusterte.
„Du bist so ein verd … elender ...“, begann Wilbur, brach aber ab, als er merkte, dass, egal wie er ihn bezeichnen wollte, es nicht regelkonform wäre. Stattdessen winkte er lediglich ab und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann“, strahlte Cai, was ihm einen noch finstereren Blick einbrachte.
* * *
Verwirrt blinzelte Blake Norman in die Dunkelheit seines Zimmers, bevor sein Blick auf den Wecker fiel. Drei Uhr morgens? Warum, zum Teufel, war er nach drei Stunden Schlaf schon wieder ...
Sein Kopf war mit einem Mal leer, sein Herz beschleunigte, bis das Blut in seinen Ohren rauschte. Angestrengt lauschte er, das Ticken seines Weckers klang gespenstisch laut und fast glaubte er, es sich nur eingebildet zu haben, beduselt vom Schlaf, als das Geräusch erneut erklang.
Ein leises Scheppern, das Blake nicht einzuordnen wusste, aber eindeutig von nebenan kam – aus der Küche.
Fahrig tastete er nach seinem Handy und zögerte. Sollte er wirklich die Polizei alarmieren? Was, wenn er nur vergessen hatte, das Fenster zu schließen und ihm lediglich das Biest, welches sein Nachbar als Katze bezeichnete, einen Besuch abstattete?
Und was, wenn es der nette Serienkiller mit dem Hang zu ahnungslosen Studenten ist? , wisperte ein sehr verängstigtes Stimmchen in seinem Hinterkopf.
So unwahrscheinlich Letzteres auch war und er sich viel eher zum vollkommenen Deppen machen würde, wählte er die drei Ziffern der Gesetzeshüter, um der Frau am anderen Ende der Leitung flüsternd zu berichten, dass er eigenartige Geräusche hörte. Diese wies ihn pragmatisch an, zu bleiben, wo er war, die Kollegen seien auf dem Weg und er solle um Himmels willen nicht den Helden spielen.
Automatisch kroch Blake ein wenig näher zur Wand. Für wie blöd hielt die ihn denn? Sekunden, nachdem er das Telefonat beendet hatte, kamen ihm allerdings Zweifel. Was, wenn es wirklich nur die Katze war?
Erneut lauschte er. Alles war ruhig. Wider besseres Wissen stand er leise auf, überlegte kurz und schnappte sich seinen Eishockeyschläger.
Wenn der 'ne Knarre hat, lacht der sich schlapp, verhöhnte ihn das Stimmchen nun schon mutiger.
Er ignorierte es wie zuvor und schlich die paar Schritte über den Flur, nur um sich sofort dafür zu verfluchen. Er hätte in seinem Schlafzimmer bleiben und sich unter dem Bett oder im
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