Winterliebe: eine Anthologie aus fünf sinnlich-romantischen, humorvollen und homoerotischen Love Storys (German Edition)
namens Titus ab und hatte sich in dieser Zeit offenkundig so manche unangemessene Eigenart sowie Wortwahl angewöhnt.
Cai störte dies nicht, er hatte gerade andere Probleme als adäquate Umgangsformen und plante ein weitaus schlimmeres Vergehen. Andere Vertreter ihrer Zunft würden da gewiss nicht dermaßen gleichmütig reagieren, obwohl man Schutzengeln ein gewisses Maß an Emotionen zugestand. Sie waren zu eng mit ihren Menschen verbunden, als dass dies nicht ab und an auf sie abfärbte. Allerdings nur bis zu einem gewissen Grad.
„Das kannst du nicht ernsthaft in Erwägung ziehen!“, fuhr Wilbur nun in gemäßigtem Tonfall fort. „Du kannst ja wohl schlecht einfach zu ihm gehen und fragen, was denn da los ist.“
Nein, das konnte Cai wirklich nicht, zumindest nicht, ohne dass es sonderbar gewirkt hätte. Schon alleine, sich Donald zu nähern, würde dies bewirken. Er selbst war niemals in den Wachdienst beordert worden, sondern gehörte zum Postcorps. Diese zwei Berufsgruppen trafen sich höchstenfalls, wenn die Menschenkinder noch jung waren und zu der Sorte gehörten, die Wunschzettel an das Christkind und nicht an den immer populärer werdenden Weihnachtsmann schrieben.
Diese Konkurrenz war mittlerweile so groß geworden, dass Cai befürchtete, bald seinen Job zu verlieren. Und dann?, überlegte er, was sollte dann aus ihm werden?
Dieses blöde rot-grüne Hampelmannkostüm, welches die Elfen trugen, würde ihm sicherlich nicht stehen, zumal er mit seinen gut einsachtzig etwas deplatziert zwischen den Wichteln wirken würde. Außerdem stieg man aus seinem Verein nicht mal eben aus und lief zur Konkurrenz über.
Musikalisch begabt war er leider auch nicht und so fiel das Posaunen- und Harfenorchester ebenfalls weg.
Entschlossen schob er diese Gedanken fort und konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt. Damit hatte er genug zu tun.
„Nein“, gab er langsam zu und musterte Wilbur nachdenklich, der seinen Blick erwiderte, bevor sich seine blauen Kulleraugen entsetzt weiteten und seine dicken Wangen noch eine Spur röter wurden.
Wenn er seinen Freund betrachtete, konnte er sich vorstellen, woher die Menschen dieses seltsame Bild von Engeln hatten. Wilbur ähnelte frappierend den Dekorationsaufklebern an so manchen Fenstern.
Dass sie überhaupt Kontakt zueinander pflegten, beruhte nur darauf, dass Wilbur vor vielen, vielen Jahren als recht junger Engel einmal als Aushilfe in der Poststelle gearbeitet hatte, während er auf einen neuen Schützling wartete. Damals hatte Cai selbst noch von einer solchen Aufgabe geträumt, bis ihm klar geworden war, dass er niemals umschulen würde.
Zu labil für den Schutzdienst, stand in seiner Akte und bis heute wusste Cai nicht, was dies zu bedeuten hatte. Mittlerweile war er mit seinem Dasein ganz zufrieden – eigentlich zumindest. Zudem ihm Unzufriedenheit gar nicht zustand, seine Vorgesetzten wussten schließlich, was das Beste für ihn war.
„Oh nein, nein, nein, das werde ich nicht tun. Definitiv nicht! Deine Obsession für diesen Menschen ist nicht gut für dich, Cai. Wie oft muss ich dir das noch sagen!“
Eigentlich musste Wilbur ihm dies gar nicht sagen, es war ihm nur allzu bewusst, nur änderte dies nichts daran, dass es eben so war.
Ja, dieser Mensch bedeutete ihm etwas. Etwas, das er selbst nicht verstand und ihm elf Monate lang nicht gut tat, weil er beständig durch seine Gedanken spukte und so ein Drängen in ihm schürte, das kaum auszuhalten war.
Nur der Dezember, in dem Cai genug um die Ohren hatte – theoretisch zumindest, denn in den letzten Jahren sah es da eher mau aus – war dies anders. Da blühte er auf, empfand ... Freude.
Freude, da er sich gestattete, diesem Drang nachzugeben und sei es nur an einem Tag, aber er würde ihn sehen. Freude, seine Begeisterung zu beobachten, wenn er in seiner Küche stand und all diese Köstlichkeiten zubereitete. Mit dem Ergebnis, dass sein Mensch – wie Cai den Mann insgeheim nannte, obwohl er ja eigentlich Donalds war – eine beachtliche Anzahl Dosen mit Plätzchen füllte und ihm selbst nichts anderes blieb, als von dieser Erinnerung elf Monate zu zehren.
Cai wusste noch genau, wie es gewesen war, als er ihn zum ersten Mal sah. Es war das Jahr gewesen, in dem er selbst diesen Teil der Erde übernommen und der Junge seinen letzten Wunschzettel geschrieben hatte.
Vielleicht ein blöder Zufall, weiter nichts, und hätte der Junge mit seinen damals vierzehn Jahren das Wunschzettelschreiben nur
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