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Wintermörder - Roman

Titel: Wintermörder - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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er in das Familienleben mit neugeborenen Zwillingen abgetaucht war, über sie beschwert.
    Doch wenn Myriam Singer eines gelernt hatte, dann immer einen Schritt schneller zu sein, damit die anderen hinterherhinkten.
    »Kommen Sie herein!«
    Der Abteilungsleiter wandte sich nicht um, als Myriam das Büro betrat. Demonstrativ blieb er, die Hände auf dem Rücken verschränkt, am Fenster stehen und verharrte in dieser scheinbar nachdenklichen Pose, die durch die Tatsache, dass der Kragen des dunklen Anzugs weiß von Schuppen war, an Wirkung verlor. Der Anzug hing an seinem Körper. Sein Blick, als er sich umdrehte, war verschleiert, als ob er gerade erst an einem Joint gezogen hätte.
    Ein Altachtundsechziger, der die Welt in ihren Grundfesten hatte erschüttern wollen, doch Jahre und Berufsleben hatten ihn zum Bürokraten mutieren lassen. Zu viele Verbrechen, Prozesse, Konflikte und der Verlust der letzten Illusionen hatten ihn müde werden lassen. Mein Gott, das Wort amtsmüde war für Hillmer geradezu erfunden worden. Nur die Zeit würde ihn ablösen. Da draußen in Deutschland wartete, verdammt noch mal, eine neue Generation junger Juris-ten wie sie, Myriam.
    Leicht gebeugt trat Hillmer an den Schreibtisch, um sich zu setzen. Mit ausgestreckter Hand bedeutete er ihr, Platz zu nehmen.
    »Warum haben Sie nicht sofort Bericht erstattet?«
    An seinem Hemd fehlte in der Höhe des Bauchnabels ein Knopf. Unwillkürlich wurde ihr Blick davon angezogen.
    Er wusste es, und sie wusste es auch. Dieses Gespräch war eine Farce. Ein Aufbäumen seiner Autorität. Ihm ging lediglich der Arsch auf Grundeis, weil die Presse diesmal nicht so einfach mit ein paar einstudierten Hinweisen abgespeist werden konnte.
    »Ich habe diese Woche Rufbereitschaft, sodass die Sache automatisch bei mir landete.«
    »Diese Sache, von der Sie sprechen, ist von höchster Brisanz. Es geht um ein Kind und einen Mord. Und das Ganze betrifft eine bekannte, angesehene Frankfurter Familie.«
    »Ob es Mord ist«, betonte Myriam, »wissen wir erst, wenn der Prozess entschieden ist.«
    Hillmer zuckte zusammen.
    »Wer einen anderen Menschen tötet«, fuhr sie fort, »ist im Auge des Gesetzes nicht automatisch ein Mörder. Das sollten Sie als Jurist wissen.«
    Seine Autorität immer wieder zu untergraben, machte ihr Freude. Sie höhlte ihn aus. Stück für Stück. Bis er seinen Platz zu ihren Gunsten räumte.
    »Ich würde die Sache lieber einem Staatsanwalt geben, der … der …« Der Versuch, entschieden zu klingen, misslang völlig. Stattdessen geriet er ins Stottern. »Also einem … bei dem eine … gute, gute Zusammenarbeit, eine gute Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei gewährleistet ist.«
    Dass in diesem Moment ihr Handy klingelte, war bühnenreif. Sie zog das Telefon aus der Handtasche. Ein Blick genügte. Es war Sarah.
    Hillmer hasste es, wenn man ihn zu lange aufhielt. Und Sarah konnte lange Gespräche führen, sehr lange.
    »Kann ich?«, wandte sie sich an den Abteilungsleiter. »Vielleicht gibt es etwas Neues?«
    Hillmer nickte und erhob sich ächzend, um wieder seine Position am Fenster einzunehmen, die im Gericht nur die Hillmer’sche Amtsstarre genannt wurde.
    »Was gibt’s?«, fragte Myriam.
    »Ich habe versucht anzurufen, aber er meldet sich nicht.«
    »Wer?« Myriam bemühte sich um einen geschäftsmäßigen Tonfall.
    »Dein Vater, wer sonst«, antwortete Sarah ungehalten.
    »Hier ist die Hölle los.«
    »Was denkst du denn? Dass ich hier im Paradies lebe? Auf der Insel der Seligen? Robin hat einen Termin beim Zahnarzt. Wenn der den rechten Eckzahn nicht endlich herauszieht, dann durchstößt er noch die Oberlippe, so spitz wie er ist. Erinnerst du dich? Du hattest auch so einen. Mein Gott, hast du immer ein Theater beim Zahnarzt gemacht.«
    »Ich bin hier in einem wichtigen Gespräch mit Oberstaatsanwalt Hillmer.«
    Sarah hörte wie immer nicht zu.
    »Und Vera. Ausgerechnet jetzt. Wenn ich sie wecke … weißt du, was dann los ist? Du hast sowieso bald Feierabend. Fahr also einfach kurz vorbei, schau, ob alles in Ordnung ist.«
    Myriam beobachtete Hillmer, der ungeduldig die Hände auf seinem Rücken verschränkte. Idiot, dachte Myriam boshaft, du willst mich los sein?
    »In Ordnung«, sagte sie laut. »Ich komme sofort.« Sie beendete das Gespräch, ohne Sarahs Antwort abzuwarten, und wandte sich an Hillmer. »Die Suche nach dem Kind läuft. Liebler hat das Grundstück weiträumig absperren lassen. Sie lassen niemanden näher als

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