Wintermörder - Roman
abzuschließen.«
»Der wichtig ist.«
»Ja.«
»Warum haben Sie Ihren Geschäftspartnern nicht einfach erklärt, was passiert ist? Jeder würde Verständnis haben. Auch Chinesen haben Schwiegermütter und Kinder, die sie lieben.«
»Die Chinesen wollen einen starken Partner«, erwiderte Oliver Winkler. »Wenn sie hören, dass Henriette ermordet wurde, der schließlich sechzig Prozent des Unternehmens gehörten, dann wissen die, dass wir die nächsten Monate Probleme bekommen. Wir kennen ja nicht das Testament, und Henriette, na ja, sie war nicht gerade berechenbar, was diese Sachen betrifft. Sie wollte immer die Fäden in der Hand halten. Bis zuletzt.«
»Bis zuletzt«, nickte Liebler. »Und von Anfang an.«
Liebler ging jetzt um den Stuhl herum, auf dem Winkler saß. Als laufe er die Grenzen ab, die der Mann vor ihm um sich gezogen hatte. Als suche er nach einem Loch im Zaun.
»Lieben Sie Ihren Sohn?« Er blieb abrupt stehen.
»Natürlich«, erwiderte Winkler entrüstet.
»Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?«
Er zögerte.»Das ist vielleicht eine Woche her. Wie Sie sich denken können, bin ich durch das Unternehmen sehr eingespannt.«
»Ist Ihr Sohn ein ängstliches Kind? Oder eher selbstbewusst?«, fragte Liebler.
»Meiner Meinung nach ist er zu sensibel. Meine Frau verwöhnt ihn zu sehr.«
»Können Sie sich vorstellen, dass er zu jemand Fremden ins Auto steigt?«
»Nein.« Er machte eine abwehrende Handbewegung. »So etwas würde er nie tun. Wir haben es ihm immer wieder gesagt, dass das gefährlich ist.«
»Aber er hat es getan.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Er muss gezwungen worden sein.«
Seine Hand rieb leicht an der rechten Schläfe, dort wo Denise’ Spucke gelandet war. »Es hat keinen Sinn, panisch zu reagieren. Ich glaube auch nicht, dass Sie das wollen. Es genügt, wenn Denise … einer muss schließlich die Ruhe bewahren.«
»Wann haben Sie Henriette Winkler zum letzten Mal gesehen?«
Nur ein Moment, den er zögerte. »Wir haben vor meiner Abreise telefoniert. Es gab einige vertragliche Dinge zu besprechen.«
Liebler reichte Oliver Winkler das Foto. »Das hat der Entführer uns geschickt. Können Sie damit etwas anfangen?«
Winkler nahm es in die Hand, schaute es nur kurz an und gab es wieder zurück. »Das ist Oskar, der Großvater von Denise.«
»Was war er für ein Mann?«
»Was soll ich sagen? Für mich war er ein Vorbild, eine Respektsperson. Ich konnte es nicht fassen, als er vor ein paar Jahren starb. Ich habe ihn bewundert«, erklärte er und fügte hinzu: »wie Henriette.«
»Warum?«, fragte Liebler und zog wieder die Augenbrauen hoch. Myriam dachte, dass die Antwort auf der Hand lag. Es war schwer, jemanden nicht zu bewundern, der Geld hatte, Einfluss, Erfolg. Selbst wenn man ihn hasste, hätte man immer noch ein leises Gefühl der Bewunderung. Das war das Prinzip der Macht. Dass sie funktionierte, auch wenn sie missbraucht wurde.
»Sie wollten alles«, antwortete Winkler »Sie haben Deutschland nach dem Krieg aufgebaut. Weil sie Visionen hatten. Weil sie hart gearbeitet haben.«
»Was hat er mit der Entführung Ihres Sohnes zu tun?«
»Woher soll ich das wissen? Es war der Großvater meiner Frau, nicht meiner.«
»Worum geht es bei diesem Projekt in Hongkong?«
Oliver Winkler richtete sich kurz auf, ein Zeichen dafür, dass er sich wieder sicher fühlte. »Um den Bau eines Hotels.«
»Sie bauen Hotels?«
»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Wir machen die Planung und übernehmen die Bauleitung. Die Ausführung übertragen wir Unterfirmen.«
»Warum machen die Chinesen das nicht selbst?«
»Wir haben mehr Erfahrung in Großprojekten, wir investieren.«
»Sie vergessen die chinesische Mauer«, warf Myriam ein.
Oliver Winkler warf ihr einen ungeduldigen Blick zu.
Liebler grinste.
»Restaurieren Sie auch?«
»Kommt darauf an.«
»Ich habe da ein Haus geerbt, das in einem schlechten Zustand ist, aber die Lage ist traumhaft.«
»Wie groß ist es?«
»Circa zweihundertfünfzig Quadratmeter Wohnfläche und tausend Quadratmeter Grundstück. Graz. Beste Wohnlage, aber wie gesagt in einem schlechten Zustand.«
Winkler zog eine Visitenkarte aus der Brieftasche. »Rufen Sie mich an. Ich kann es mir anschauen.«
»Sie arbeiten also international«, stellte Liebler fest.
»Wir haben Projekte in Moskau, Prag, Hongkong, Shanghai. Der Osten und Asien, da sitzen unsere Kunden. Da wird in den nächsten Jahren investiert.«
»Das Ganze machen Sie
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