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Wintermörder - Roman

Titel: Wintermörder - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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nüchtern. Ich habe heute
    Matecki angerufen.«
    »Matecki?«
    »Diesen Polizisten aus Krakau.«
    »Ach ja.«
    »Ich habe ihn nach dem Brand in dem Einkaufszentrum gefragt.«
    »Und?«
    »Er war froh, dass sich hier bei uns jemand um die Sache kümmert. Er war richtig heiß darauf. Er vermutet nämlich einen Versicherungsbetrug durch Oliver Winkler. Er hat versprochen, die Leute von der Liste zu überprüfen. Es wird allerdings schwierig, meinte er, weil die Männer mit Sicherheit zum Großteil irgendwo in Deutschland, in Belgien oder sonst wo arbeiten. Legal oder illegal.«
    »Wir müssen der Spur mit der Zwangsarbeiterin nachgehen. Auch wenn diese sechzig Jahre zurückführt. Das Foto mit Hans Frank zeigt, dass die Gründe für den Mord und die Entführung in der Vergangenheit liegen. In einem anderen Jahrhundert, verstehen Sie?« Die letzten Worte schrie sie. Die Männer am Nebentisch blickten neugierig zu ihr herüber. Was denn — vermuteten sie ein Familiendrama? Eine Beziehungskrise? Konnten diese Typen sich nicht vorstellen, dass es Wichtigeres gab? Dass die Probleme, die sie vermutlich für den Supergau in ihrem Leben hielten, nicht bedeutender waren, als wenn man sich in den Finger schnitt. Eine Schnittwunde im Leben, mehr nicht. Es gab Ereignisse, die einen ins Bodenlose stürzten, die die Apokalypse bedeuteten, die der Zusammenbruch all dessen waren, was bisher als Realität gegolten hatte.
    »Wissen Sie, dass Oliver Winkler ausgezogen ist?« Henri Liebler nahm ein Schluck von seinem Grog.
    »Was?«
    »Er hat heute Morgen das Haus mit zwei Koffern verlassen, um in ein Hotel zu ziehen.«
    Das Bild vom vergangenen Abend tauchte wieder auf. Die beiden verschlungenen Körper. Denise’ Blick und wie sie die Firma verlassen hatte. Aufrecht und wortlos. Sie hatte sogar daran gedacht, die Alarmanlage wieder anzuschalten.
    »Das geht nur die beiden etwas an«, sagte Myriam.
    »Halt, halt«, bemerkte Liebler, »alles geht uns etwas an. Was ist passiert?«
    Sie erzählte ihm, was sie in dem Büro gesehen hatte.
    Jetzt war es Liebler, der sich aufregte. »Was ist das für ein Typ? Seine Frau sitzt allein zu Hause, verzweifelt, und er vögelt seine Sekretärin. Mitten im Chaos vögelt er seine Angestellte. Gibt es dagegen keine Gesetze?«
    Genau dasselbe hatte Denise auch gefragt.
    »Ich werde ihn genau unter die Lupe nehmen«, sagte Liebler und holte die Zigaretten heraus. »Vielleicht kann ich ihn wenigstens wegen Versicherungsbetruges belangen. Würde mir Freude machen.« Der Schluck aus dem Glas war lang und anhaltend.
    »Verschwenden Sie nicht Ihre Zeit. Wir haben andere Prioritäten.«
    »Dafür habe ich Zeit«, sagte Liebler. Rauch stieg auf. Er war auf dem Kriegspfad. »Und wenn ich es in meiner Freizeit mache.«
    »In welcher Freizeit?«
    »Scheiß auf diese Typen. Sie kotzen mich alle an.«
    Diesmal starrten die Männer ihn an.
    »Reden wir über die Vergangenheit«, holte Myriam ihn zurück.
    Liebler hielt plötzlich inne. Seine Hand griff zum Glas.
    Sie zitterte. Er trank es leer. Dann zündete er sich eine Zigarette an. Nahm einen langen Zug.
    »Nein«, antwortete er schließlich entschieden. »Ich habe es satt, ewig um den heißen Brei herumzureden. Reden wir über die Zukunft.«
    »Zukunft?«, fragte Myriam verwirrt. »Was zum Teufel meinen Sie damit? Welche Zukunft?«
    Die Kunstpause war perfekt und mit dem langen Blick eines Katers verbunden, der eine bestimmte Absicht verfolgte.
    »Unsere«, sagte Liebler bestimmt und stellte das Glas ab.
    Es dauerte einige Sekunden, bis Myriam wieder reagieren konnte. Was war ihr Leben im Moment? Ein Spielball der Götter? Die warfen sie achtlos nach oben oder ließen sie tief fallen, ganz wie es ihnen passte.
    »Sind Sie verrückt geworden?«
    »Gehört das nicht dazu, wenn man liebt?«
    »Hier«, stellte Myriam fest, »liebt niemand jemanden.«
    »Das ist etwas, das Sie ausnahmsweise nicht bestimmen können.«
    »Ich will davon nichts wissen. Nicht im Moment, nicht jetzt, nie.«
    »Gerade deshalb sage ich es. Weil ich sonst nur die Möglichkeit habe zu kotzen. Verstehen Sie nicht? Ich habe den Job satt. Ich habe es satt, immer nur das Schlimmste zu se-hen, zu ertragen, zu begreifen, zu akzeptieren. Aber was ist mit all dem anderen?«
    »Womit?«
    »Mit dem, warum wir überhaupt leben.«
    »Verschonen Sie mich mit Ihrer Philosophie. Dafür habe ich die Nerven nicht.«
    »Ja, Sie haben Recht. Aber Sie mögen es doch, wenn man philosophisch wird, oder? Was ich

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