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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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feststellen, wenn er bei Bewußtsein ist und wir ein paar einfache Tests durchführen können. Falls eine Lähmung vorliegt, müssen wir uns die Sache noch einmal ansehen. Wichtig ist erst einmal, daß die Wirbelsäule nicht durchtrennt wurde, so schlimm ist es also nicht. Falls wir eine Lähmung feststellen und eine Fraktur finden, bekommt er ein Stützkorsett, das seine Beine entlastet, um den Druck vom Kreuzbein zu nehmen. Eine Fraktur können wir behandeln. Sie wäre keine Katastrophe. Es besteht eine ausgezeichnete Chance, daß wir ihn wieder auf die Beine bringen.«
    »Aber keine Garantie«, sagte sie leise.
    Er zögerte. »Die gibt es nie«, sagte er dann.

SECHSTES KAPITEL
    Die Kabine, eine von acht, hatte große Fenster, die einen Blick auf das Schwesternzimmer der Intensivstation boten. Die Vorhänge waren zur Seite gezogen, damit die Schwestern den Patienten auch aus ihrem Zimmer in der Mitte der radnabenförmigen Station unter Beobachtung halten konnten. Jack war an einen Herzmonitor angeschlossen, der ununterbrochen Daten zu einem Terminal an der Zentralkonsole übermittelte, an einen Tropf, über den er mit Glukose und Antibiotika versorgt wurde, und an einen Sauerstoffschlauch, der behutsam an seiner Nasenscheidewand befestigt war. Heather war darauf vorbereitet, daß Jacks Zustand sie betroffen machen würde - aber er sah noch schlimmer aus, als sie erwartet hatte. Er war bewußtlos, so daß sein Gesicht natürlich schlaff war, doch er machte nicht nur wegen dieser Leblosigkeit einen furchtbaren Eindruck. Seine Haut war knochenweiß, und dunkelblaue Kreise umgaben die eingefallenen Augen. Seine Lippen waren so grau, daß sie unwillkürlich an Asche denken mußte, und mit beunruhigender Resonanz ging ihr ein Zitat aus der Bibel durch den Kopf, als hätte sie es tatsächlich laut ausgesprochen Asche zu Asche, Staub zu Staub. Er schien zehn oder fünfzehn Pfund leichter zu sein als heute morgen, da er das Haus verlassen hatte, als hätte sein Überlebenskampf sich über eine Woche hingezogen und nicht nur über ein paar Stunden. Ein Kloß in ihrem Hals machte ihr das Schlucken fast unmöglich, als sie neben seinem Bett stand, und sie konnte nicht sprechen. Obwohl er bewußtlos war, wollte sie nicht mit ihm sprechen, bis sie überzeugt war, auch Herrin ihrer Worte zu sein. Sie hatte irgendwo gelesen, daß selbst Patienten, die im Koma lagen, ihre Besucher vielleicht hören konnten; auf irgendeiner tiefen Ebene verstanden sie manchmal deren Worte und konnten von Ermutigungen profitieren. Sie wollte nicht, daß Jack auch nur einen Anflug von Furcht oder Zweifel in ihrer Stimme hörte - oder irgend etwas anderes, das ihn aufregen oder die Angst und Verzweiflung, die ihn erfaßt hatte, vielleicht verschlimmern würde. In der Kabine war es entnervend still. Der Ton des Herzmonitors war ausgeschaltet worden; die Schwestern verließen sich auf die visuellen Anzeigen. Die sauerstoffreiche Luft, die durch die Naseneinlage entwich, zischte so leise, daß Heather es nur hören konnte, wenn sie sich zu ihm hinunterbeugte, und das Geräusch seines flachen Atems war so schwach wie das eines schlafenden Kindes. Regen trommelte auf die Außenwelt und tippte und klopfte auf das einzige Fenster im Zimmer, doch dieses Geräusch wurde ziemlich schnell grau, nur zu einer anderen Form der Stille. Sie wollte unbedingt seine Hand halten. Doch seine Hände waren unter den langen Ärmeln der Zwangsjacke verborgen. Die Schnur des Tropfes, die wahrscheinlich in einer Ader auf seinem Handrücken steckte, verschwand unter dem Ärmelaufschlag. Zögernd berührte sie seine Wange. Er sah kalt aus, fühlte sich aber fiebrig an. Schließlich sagte sie. »Ich bin hier, Baby.« Er verriet mit keiner Regung, daß er sie gehört hatte. Seine Augen blieben unter den Lidern unbewegt. Seine grauen Lippen blieben leicht geöffnet.
    »Dr. Procnow meint, es sieht ziemlich gut aus«, sagte sie. »Du wirst das alles einfach prima überstehen. Wir werden gemeinsam damit fertig, ist doch kein Problem. Verdammt, weißt du noch, als uns vor zwei Jahren meine Eltern eine Woche lang besucht haben? Das war eine Katastrophe und eine schwere Prüfung, meine Mutter hat sieben Tage lang ununterbrochen gejammert, mein Vater war ständig betrunken und launisch. Das ist im Vergleich dazu doch nur ein Mückenstich, meinst du nicht auch?«
    Keine Reaktion.
    »Ich bin hier«, sagte sie. »Ich bleibe hier. Ich gehe nirgendwo hin. Du und ich, okay?«
    Über den

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