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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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pflügte, oder hielt sich auf den offenen Flächen südlich vom Haus und den Ställen. Er mied den Wald östlich und unter dem Haus, hielt sich aber auch von dem im Norden und sogar von den höher gelegenen Waldstücken im Westen fern. Seine Feigheit verwirrte ihn, nicht zuletzt, weil er sie einfach nicht begreifen konnte. Er war schon immer ein Verfechter der Vernunft und Logik gewesen und hatte immer gesagt, daß es von beidem zu wenig in der Welt gab. Er verachtete Menschen, die eher aufgrund von Gefühlen als vom Intellekt her handelten. Doch die Vernunft ließ ihn nun im Stich, und die Logik konnte das instinktive Wissen um eine Gefahr nicht überwinden, das ihn veranlaßte, die Bäume und das seltsame Zwielicht unter ihren Ästen zu meiden. Gegen Ende März kam er allmählich zur Auffassung, daß das Phänomen ein einmaliger Vorfall ohne weitere Konsequenzen gewesen war. Ein seltenes, aber natürliches Ereignis. Vielleicht irgendeine elektromagnetische Störung. Keine größere Bedrohung für ihn als ein Sommergewitter. Am ersten April entlud er die beiden Flinten und die beiden Schrotgewehre wieder. Nachdem er sie gereinigt hatte, stellte er sie zurück in den Schrank im Arbeitszimmer. Doch da ihm noch immer etwas unbehaglich zumute war, ließ er die Pistole vom Kaliber .22 auf seinem Nachttisch liegen. Sie war zwar nicht besonders durchschlagskräftig, doch wenn man sie mit Hohlmantelgeschossen lud, konnte sie schon einigen Schaden anrichten. In den dunklen Morgenstunden des vierten April wurde Euardo von einem leisen Pochen geweckt, das anschwoll und verblich, anschwoll und verblich. Wie schon Anfang März wurde dieses pulsierende Geräusch von unheimlichen elektronischen Schwingungen begleitet. Er setzte sich im Bett auf und sah zum Fenster. In den drei Jahren seit Margarites Tod hatte er nicht mehr in dem großen Schlafzimmer vorn im Haus genächtigt, das das ihre gewesen war. Statt dessen hatte er sich in einem der beiden hinteren Schlafzimmer eingerichtet. Demzufolge bot das Fenster einen Blick in westliche Richtung und lag entgegengesetzt von den Bäumen im Osten, wo er das seltsame Licht zum erstenmal gesehen hatte. Der Nachthimmel hinter dem Fenster war tief und schwarz. Die Stiffel-Lampe auf dem Nachttisch verfügte nicht über einen Schalter, sondern über eine altmodische Kette. Kurz bevor er das Licht einschaltete, hatte er das Gefühl, daß sich etwas bei ihm im Zimmer befand, etwas, das er lieber nicht sehen wollte. Eduardo Fernandez zögerte und umklammerte die Metallglieder der Kette fest mit den Fingern. Aufmerksam suchte er mit den Augen die Dunkelheit ab, und sein Herz hämmerte, als wäre er in einem Alptraum mit einem Ungeheuer. Doch als er schließlich an der Kette zog, enthüllte das Licht, daß er allein war. Er nahm seine Armbanduhr vom Nachttisch und warf einen Blick darauf. Neunzehn Minuten nach eins. Er warf die Bettdecke zurück und stand auf. Er trug seine lange Unterwäsche. Die Jeans und ein Flanellhemd lagen über einem Stuhl neben dem Bett, und daneben stand ein Paar Stiefel. Socken trug er bereits, da er des Nachts oft kalte Füße bekam, wenn er ohne sie schlief. Das Geräusch war lauter als einen Monat zuvor, und es pulsierte auch mit beträchtlich größerer Wirkung durch das Haus. Im März hatte Eduardo im Einklang mit dem rhythmischen Pochen ein Druckgefühl empfunden - das sich, wie das Geräusch, wellenförmig wiederholt hatte. Nun hatte dieser Druck dramatisch zugenommen. Er spürte ihn nicht mehr diffus, sondern deutlich, und dieses Gefühl war auf unbeschreibliche Art und Weise anders als die Wahrnehmung turbulenter Luft, eher wie die unsichtbaren Gezeiten eines kalten Meeres, die über seinen Körper spülten. Als er sich in aller Schnelle angezogen und die geladene .22er vom Nachttisch genommen hatte, schwang die Kette der Lampe wild hin und her und schepperte gegen das polierte Messing des Leuchtkörpers. Die Fensterscheiben vibrierten. Die Bilder an den Wänden wackelten und legten sich schief. Er stürmte in die Diele hinab, in der er das Licht nicht einschalten mußte. Die abgeschrägten Ränder der ovalen Bleiglasscheiben in der Tür funkelten hell mit der Spiegelung des geheimnisvollen Leuchtens draußen. Es war viel heller als im Vormonat. Die Scheiben brachen das bernsteinfarbene Strahlen in alle Farben des Spektrums und warfen helle prismatische Muster aus Blau und Grün und Gelb und Rot auf die Decke und Wände, so daß man den Eindruck hatte, sich in

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