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Wintermond (German Edition)

Wintermond (German Edition)

Titel: Wintermond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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Wasserstrahl. Außer der Kälte spürte er nichts, als ob seine Hand innerhalb der letzten Minuten taub geworden wäre. Das Wasser vermischte sich mit dem Blut und der Erde und sammelte sich in Form einer dreckigen Lache am Abfluss. Alex zog seine Hand zurück und betrachtete sie ein weiteres Mal. Sofort strömte neues Blut aus seinen Schnittwunden und machte es schier unmöglich, die vereinzelten Glassplitter zu erkennen. Die wenigen, die er sah, pulte er aus seiner Haut und hielt seine Hand zwischenzeitlich immer wieder aufs Neue unter den Wasserstrahl, um sie von dem frischen Blut zu befreien. Der Anblick des Blutes, das durch das Wasser nach wesentlich mehr aussah, jagte einen unangenehmen Schauer über seinen Rücken. Ihm wurde leicht übel, weshalb er irgendwann den Blick abwandte und in den Spiegel aufsah. Er betrachtete sein eigenes Spiegelbild, als wäre es jemand Fremdes. Sein Gesicht war blass, vereinzelte blonde Haarsträhnen fielen ihm in die Stirn. Sein Gesichtsausdruck war undefinierbar. Er sah verletzlich und gekränkt aus. Alex erkannte sich selbst kaum wieder. Mit trüben Augen sah er sich an und bemühte sich dabei, neu aufsteigende Tränen zurückzuhalten. In jenem Moment durchzog ihn ein Gefühl von Selbstzweifel, wie er es nie zuvor erlebt hatte. Er hasste sein Spiegelbild, hasste sich selbst - vor allem dafür, dass er sich gegenüber seinem Vater derart offenbart hatte. Es war, als ob seine monatelange Arbeit, der Aufbau einer Maske, völlig umsonst gewesen war. Sein Spiegelbild zeigte ihn nun genau so, wie er nie hatte sein wollen. Er war niemand, der gern in Selbstmitleid ertrank und auf die Anteilnahme anderer hoffte, denn er war nicht der Typ, der gern Hilfe annahm.
    Während sich ganz langsam wieder der Gedanke an Sam durch seinen Kopf schlich, stieg erneut das Gefühl in ihm auf, jeden Moment losheulen zu müssen. Doch das wollte er nicht. Alex’ Blick verfinsterte sich. Er betrachtete sein Spiegelbild fast, als wäre es sein Feind, bevor er sich abrupt von diesem abwandte und erneut auf seine Hand blickte. Noch immer rann mit Wasser vermischtes Blut über seine Finger und hinterließ rote Spuren am Rand des Waschbeckens. Alex ignorierte es. Stattdessen beugte er sich nach vorn, hielt seinen Kopf über das Becken und klatschte sich eine Hand voll kaltem Wasser ins Gesicht. Er hoffte, auf diese Art und Weise wieder zur Vernunft zu kommen, um seine Gedanken und Gefühle endlich in Ruhe ordnen zu können. Seine verletzte Hand war noch immer wie betäubt. Er spürte kaum noch, wie das kalte Wasser über sie lief. Dann klatschte er sich noch eine weitere Portion des kühlen Nasses ins Gesicht, bevor er sich wieder zu seiner vollen Größe aufrichtete und erneut in den Spiegel blickte. Mit seinen beiden Händen stützte er sich am Waschbeckenrand ab. Er atmete schwer und rang nach Luft, weil er sie für lange Zeit unter dem Wasser angehalten hatte. Von seiner rechten Hand aus bahnten sich Blutspuren am Inneren der Waschbeckenschüssel entlang und zogen dunkelrote Linien bis zum Abfluss. Alex spürte keine Schmerzen mehr und betrachtete sich recht skeptisch in dem großen Spiegel. Es schien, als hätte die kleine Erfrischung geholfen, denn mit einem Mal fühlte er sich besser und sah längst nicht mehr so zerbrechlich aus wie zuvor. Seine blonden Haare wirkten durch das Wasser dunkelbraun und klebten in seinem Gesicht. Ein paar Wassertropfen perlten von seinen Wangen und sammelten sich an seinem Kinn. Alex neigte seinen Kopf zur Seite und musterte sich aus leicht zusammengekniffenen Augen. Dann legte er seinen Kopf in den Nacken und grinste genügsam. Es war völlig absurd, dass er dies in solch einem Moment tat, aber das zufriedene, sarkastische Lächeln zog sich wie von selbst über seine Lippen, als er erkannte, dass er wieder der Alte zu sein schien. Sein Verstand war offenbar zur Vernunft gekommen. Im Spiegel konnte er nun wieder die altbekannte Maske seiner selbst statt einem sensiblen Ich erkennen. Doch genau so schnell, wie sein überlegenes Grinsen gekommen war, verschwand es auch wieder, als er auf der reflektierenden Glasfläche plötzlich niemand anderen als Ben hinter sich durch die Tür kommen sah. Der Dunkelhaarige betrachtete ihn mitfühlend und kehrte ihm nicht eine Sekunde lang den Rücken zu, als er die massive Badezimmertür hinter sich zudrückte. In Alex begannen sich augenblicklich verschiedene Emotionen zu sammeln. Er fühlte sich ertappt in einer Situation, die völlig

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