Wintermond (German Edition)
festen Blick jedoch durchgehend von der Seite spüren.
„Das fällt dir ja verdammt früh ein“, erwiderte er und ließ ganz bewusst einen vorwurfsvollen Unterton in seiner Aussage mitschwingen.
„Ohne Scheiß“, fuhr Alex nun etwas lauter fort. „Du warst die ganze Zeit für mich da, hast mich nicht mal an meinen Vater verpfiffen. Ich bin so was einfach nicht gewohnt, weißt du?“
Ben nickte wortlos.
„Du und mein Vater ... ihr ward ... seid ... so ein perfekt eingespieltes Team. Ich hasse meinen Vater und erst recht die Leute, die ihm in den Arsch kriechen. Du gehörst nun mal zu der Sorte. Das kannst du nicht abstreiten.“
Ben nickte ein weiteres Mal.
„Aber bei dir ist das noch viel krasser als bei allen bisherigen Praktikanten“, erklärte Alex. „Dich behandelt er ja fast väterlich. Das widert mich einfach an. Außerdem bist du an genau dem Abend hier bei uns angekommen, an dem ich ziemliche Scheiße beim Pokern gebaut hab’. Alles in allem warst du mir nicht gerade sympathisch.“
Ben schwieg. Er wusste nichts zu erwidern und überlegte, ob Alex die Tatsache, auch Bens Homosexualität von Anfang an verabscheut zu haben, mit Absicht ausließ. Dennoch war er erstaunt darüber, wie offen Alex über all diese Dinge sprach und ihn damit komplett in sein Denken einweihte.
„Was ist das denn genau für ’ne Scheiße, die du da gebaut hast?“, hakte Ben nach und versuchte damit von sich selbst abzulenken.
Alex lachte höhnisch auf. Dann senkte er den Blick und begann an dem nassen Verband seiner lädierten Hand zu pulen.
„Willst du das wirklich wissen?“, fragte er abratend.
„Würde ich sonst fragen?“, gab Ben selbstbewusst zurück.
„Scheiße!“, fluchte Alex und stand auf. „Ich hab’ 40.000 Euro beim Pokern verzockt.“
Ben glaubte, sich verhört zu haben. „40.000?“, wiederholte er entsetzt und riss seine Augen dabei weit auf.
Alex nickte mit zusammengepressten Lippen.
„Du schuldest diesen Scheißkerlen 40.000?“, fragte Ben fassungslos, während seine Stimme höher als üblich klang. Er war erschüttert. Nervös fuhr er sich mit der flachen Hand über die Lippen.
„Du hast es erfasst“, erwiderte Alex trocken.
„Deshalb deine Reaktion, als du mich am ersten Tag in meinem Auto gesehen hast ... deshalb die Waffe und das mit Sam ...“, begann Ben laut zu denken.
„Ja“, antwortete Alex unpassend ruhig, „und die werden mich fertig machen, wenn ich nicht zahle.“
„Wieso sollten sie?“, fragte Ben daraufhin. „Wenn sie dich fertig machen, kommen sie doch erst recht nicht an ihr Geld.“
„Sie werden mich ja nicht umbringen, du Idiot!“, gab Alex schnippisch zurück. „Aber sie werden mich weiterhin mit allen Mitteln unter Druck setzen ... so lange, bis ich ihnen das Geld irgendwie beschaffe.“
Ben atmete tief durch und versuchte das Gesagte erst einmal zu verdauen. Er war baff. Nicht nur, weil Alex’ Probleme größer waren, als er gedacht hatte, sondern auch, weil er erstaunt darüber war, dass der Blonde ihm all das anvertraute. Noch immer konnte er keinen Grund für Alex’ plötzliche Wandlung erkennen.
„Warum erzählst du mir das alles?“, fragte er deshalb etwas misstrauisch.
„Vielleicht, weil ich mit irgendwem darüber reden muss“, erwiderte Alex und setzte sich schließlich wieder. Er beugte seinen Oberkörper nach vorn, legte seine Hände ineinander und starrte auf die weißen Fliesen zu seinen Füßen.
„Mit irgendwem also, ja?“, hakte Ben nach. „Und da suchst du dir ausgerechnet mich aus? Muss ich das verstehen?“
Alex schwieg einen Moment lang. Dann sah er wieder auf und blickte geradeaus in Richtung des Poolbeckens.
„Ich hab’ das verdammte Geld nicht“, gab er leise zu und schien Bens Frage damit gekonnt zu ignorieren. „Und mein Vater gibt mir auch nichts mehr.“
„Du hast ihn schon gefragt?“, wollte Ben wissen.
„Naja ...“, Alex lachte gedämpft auf. „Nicht nach 40.000 Euro, aber schon nach etwas Geld. Er gibt mir keines. Warum auch? Er hat mir schon genug Kohle außer der Reihe zugeschoben. In seinen Augen bin ich sowieso nicht mehr als ein elendiger Versager und mittlerweile ist er an einem Punkt angelangt, an dem er mich nicht mehr weiter bei meinem Absturz unterstützen will.“
Gespannt lauschte Ben Alex’ Worten und versuchte sich in dessen Situation zu versetzen. Vermutlich hatten der Tod von Alex’ Mutter und der seines besten Freundes ihn psychisch so fertig gemacht, dass er sich deshalb
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