Wintermond (German Edition)
auf.
„Lass mich gefälligst durch!“, befahl Ben und versuchte sich an Alex vorbeizudrängeln.
Doch der Blonde folgte jedem Ausweichmanöver und gewährte Ben somit keinen Durchlass. „Was hast du vor?“, fragte der Blonde und klang altbekannt bedrohlich.
Da war er wieder, der eigentliche Alex, den Ben in den letzten Wochen zu lieben und hassen gelernt hatte.
„Keine Ahnung“, gab Ben zurück. „Ich ... ich weiß es echt nicht.“
Das war die Wahrheit. Er war mit seinen Nerven am Ende und überforderter als je zuvor.
„Willst du zu den Bullen?“, hakte Alex nach und spuckte jedes einzelne Wort verächtlich aus. Anscheinend versuchte er seine Nervosität zu überspielen, doch Ben ließ sich nicht beirren, denn er konnte sie förmlich spüren.
„Du gibst es also zu, ja?“, fragte Ben überreizt und trat dabei einen Schritt näher auf den Blonden zu.
„Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig!“, gab dieser gelassen zurück.
„Mir vielleicht nicht“, entgegnete Ben. „Aber der Polizei schon.“
Er bluffte lediglich, denn er hatte nicht vor, zur Polizei zu gehen. Alex jedoch in diesem Glauben zu lassen, erschien ihm in jenem Moment als fair - fast wie eine kleine Rache für das, was er getan hatte.
„Das wagst du nicht“, meinte der Blonde daraufhin und klang beunruhigt.
„Und wenn doch?“
Alex sah ihn wütend an. Er schien einen Moment lang nachzudenken und legte seinen Kopf dabei ein wenig in den Nacken. Dann schloss er die letzte Lücke zwischen sich und Ben und hob seine Arme. In einer langsamen, nahezu zärtlichen Geste legte er seine Hände auf Bens Brust und blickte den Dunkelhaarigen dabei undefinierbar an. Bens Puls begann sich augenblicklich zu beschleunigen, weil er nicht wusste, was als nächstes folgen würde. Alex schien ziemlich aufgebracht zu sein. Deshalb passte es nicht zu seinem aktuellen Verhalten, dass er Ben derart berührte.
„Dann ...“, begann Alex und zog das Wort dabei übertrieben lang, während er seine Finger in Bens T-Shirt krallte. Er hielt seine Lippen geöffnet, als ob er noch weitersprechen wollte, doch tat er dies nicht. Stattdessen zog er Ben an sich heran, funkelte ihn dabei zornig an und schubste ihn dann so unerwartet und brutal von sich weg, dass Ben überhaupt keine Zeit mehr hatte, zu reagieren. Eh er sich versah, stolperte er ein paar Schritte rückwärts, verlor dann sein Gleichgewicht und stürzte schließlich unsanft zu Boden. Sein Kopf schlug dabei seitlich auf den kalten Fliesen auf und begann gleich darauf aus einer entstandenen Platzwunde zu bluten. Ben konnte sofort spüren, wie sich das warme Blut auf seiner linken Wange verteilte. Erschrocken hob er seine Hand und fasste sich an die pochende Stelle neben seiner Augenbraue.
„...ist das hier erst der Anfang“, beendete Alex schließlich seinen angefangenen Satz.
Ben blickte verdrießlich zu dem Blonden auf. Dann nahm er seine Hand wieder herunter und betrachtete das an seinen Fingerspitzen klebende Blut mit einem schmerzverzerrten Gesicht.
Alex’ Handlung war so schnell geschehen, dass er sie noch gar nicht recht fassen konnte. Er war entsetzt und erschrocken zugleich. Der Blonde schien wieder der Alte zu sein, doch genau das beunruhigte Ben in jenem Moment mehr, als er erwartet hatte. Er wollte so vieles sagen, doch schaffte er es in der kurzen Zeit nicht, seine Gedanken ausreichend zu sortieren. Letztendlich fiel ihm nicht mehr ein, als Alex überraschend ruhig zu fragen: „Sag mal, hast du sie noch alle?“
Der Blonde erwiderte nichts. Er stand schweigend da und blickte abfällig auf Ben herab. In seinen Augen war nicht die geringste Spur von Reue zu erkennen.
Ben kniff seine Lippen zusammen und versuchte aufzustehen, während das schmerzvolle Pochen an seiner Wunde mit jeder kleinen Bewegung noch wesentlich stärker wurde. Doch dies versuchte Ben zu ignorieren. Er war Alex’ rabiate Art gewohnt, hätte bislang jedoch niemals damit gerechnet, dass der Blonde ihm tatsächlich Schaden zufügen würde.
Als er sich endlich wieder zu seiner vollen Größe aufgerichtet hatte, blickte er hinter sich auf die Fliesen und entdeckte dabei die Blutspur, die er zurückgelassen hatte. Dann schritt er auf Alex zu. Der Blonde stand am Beckenrand und schien in keinster Weise von Bens Verletzung berührt zu sein.
„Was ist das für ein Spiel, Alex?“, fragte Ben streng, während er einen weiteren Schritt auf Alex zutrat. „Erst Hass, dann Leid, dann Freundschaft, dann Hass. Kommt mir
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