Wintermond (German Edition)
anzukämpfen. Das war auch kein Wunder, nachdem, was er am Vortag erlebt hatte. Noch immer konnte er kaum fassen, was Alex mit seinem unüberlegten Verhalten verursacht hatte. Der Blonde hatte Ben vor Jo bloßgestellt und die Tatsachen dabei völlig verkehrt dargestellt. Doch Ben hatte nichts zu seiner Verteidigung zu sagen gewusst. Er war zu entsetzt und enttäuscht gewesen. Außerdem war er nicht wie Alex, sondern blieb selbst in den unangenehmsten Situationen noch bei Verstand. Deshalb hatte er Alex’ Vorwürfe und Diskriminierungen einfach über sich ergehen lassen. Die andere Möglichkeit wäre gewesen, Jo die Wahrheit zu erzählen und dabei klar zu stellen, dass die meisten Annährungsversuche sogar auf Alex zurückzuführen waren. Doch damit hätte er Alex’ schwule Seite geoutet und diese Aufgabe wollte er dem Blonden lieber selbst überlassen.
Ungeachtet dessen brachten Alex’ Lügen schwerwiegende Konsequenzen mit sich, denn nun musste Ben die Villa verlassen und sein Praktikum in einem von Jos Büros fortführen und das war bei weitem nicht das Gleiche. Er konnte von Glück sprechen, dass er sein Praktikum überhaupt fortsetzen durfte und musste sich deshalb wohl oder übel mit der künftigen Situation anfreunden. Er hoffte zumindest, dass Jo diese Versetzung im späteren Praktikumszeugnis als Möglichkeit zur Erweiterung Bens Horizontes angeben würde, damit künftig niemand die Wahrheit zwischen den Zeilen herauslesen könnte.
Dennoch verstand er Alex nicht mehr, weshalb ihn das unangenehme Gefühl durchschlich, die emotionale Verbindung zu diesem nun endgültig verloren zu haben. Vielleicht war Alex ja tatsächlich ein hoffnungsloser Fall, der zwar zwischendurch aus seinem Schneckenhäuschen herausspähte, sich aber letztendlich immer wieder in dieses zurückzog und es vermutlich niemals dauerhaft verlassen würde. Dies war eine bittere Erkenntnis, die Ben sich nicht so recht eingestehen wollte. Mittlerweile war einfach zu viel zwischen ihm und Alex vorgefallen - seien es verschiedene Begegnungen, die Küsse oder der Sex.
Ben konnte sich nicht vorstellen, dass dem Blonden plötzlich all das gleichgültig sein konnte. Nicht, nachdem sie sich noch kurz vor der gestrigen Eskalation gegenübergestanden hatten und sich wieder einmal nähergekommen waren. In jenem Moment hatte Ben ganz deutlich spüren können, dass auch Alex Gefühle für ihn hegen musste.
Doch jetzt war alles anders.
Die letzten Stunden des gestrigen Tages hatte Ben sich seiner Arbeit gewidmet und sich damit so gut wie möglich abzulenken versucht. Er konnte nicht leugnen, dass er mit der möglichst perfekten Ausarbeitung der letzten Aufgabe, die er von Jo erhalten hatte, ein letztes Mal kräftig bei diesem punkten wollte. Er hoffte, Jo auf diese Art und Weise noch einmal an sein Können und seine Leistungen zu erinnern, um dessen Entscheidung, ihn ausziehen zu lassen, rückgängig zu machen. Dieser lodernde Funken Hoffnung war nur sehr klein und drohte mit jeder weiteren verstrichenen Minute vollkommen zu erlöschen. Doch Ben war niemand, der schnell aufgab, sondern mit all seinem Engagement und Ehrgeiz bis zum Schluss kämpfte. Dazu musste er sich in diesem Fall nicht einmal zwingen, weil er nicht ausziehen wollte und wusste, dass dies sonst das endgültige Aus zwischen ihm und Alex bedeuten würde. Genau das wollte er vermeiden, um weiter um den Blonden kämpfen zu können. Er wollte Alex nicht aufgeben und hatte in Bezug auf diesen mittlerweile schon so viel erreicht, dass er an dieser Stelle nicht plötzlich aufhören konnte.
Ben drehte sich auf die Seite. Dann stemmte er sich hoch, hob seine Beine aus dem Bett und stand schließlich auf. Er riss die Vorhänge zur Seite und öffnete eines der beiden Fenster. Da er jetzt sowieso wach war, würde sich ein Weiterschlafen nicht mehr lohnen. Außerdem konnte er die Zeit besser nutzen. Deshalb wollte er seine übliche Runde joggen gehen, um dabei an der frischen Luft auf klarere Gedanken zu kommen. Später würde er dann mit Jo reden müssen und ihm dabei die frisch erledigten Aufgaben unter die Nase halten. Die Hoffnung war nur sehr gering, dennoch redete er sich ein, irgendeinen Ausweg aus seiner Misere zu finden, um letzten Endes doch in der Villa bleiben zu können.
Er streckte sich einmal ausgiebig und massierte sich kurz seinen Nacken. Dann ging er zu seinem Schrank und kramte seine Sportsachen heraus. Das war nicht ganz einfach, denn im Schrank herrschte ein größeres Chaos
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