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Wintermond (German Edition)

Wintermond (German Edition)

Titel: Wintermond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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tatsächlich sein eigener Sohn gewesen sein musste, der ihn bestohlen hatte. Für Jo war das vermutlich eine bittere Erfahrung, doch Alex gönnte sie ihm. Ihm war egal, dass sein Vater künftig noch weniger von ihm halten würde und auch, dass die Wahrheit ans Licht gekommen war. Es wurde ihm mit einem Mal sogar egal, dass er nun keine Möglichkeit mehr für das Beseitigen seiner Schulden wusste. Insgesamt wirkte alles plötzlich so zweitrangig. Alles, bis auf eine Sache. Eine Person.
    Alex seufzte. Wieder einmal kroch das Verlangen nach einer Zigarette in ihm empor, das er allerdings gekonnt zu ignorieren schaffte. Dann ließ er sich nach hinten auf die weiche Matratze fallen. Er verschränkte seine Arme unter seinem Kopf und begann an die weiße Zimmerdecke zu starren. Dabei spürte er plötzlich etwas Unbequemes in seiner hinteren Hosentasche. Irritiert verzog er sein Gesicht, hob sein Becken etwas an und fischte das Störobjekt aus seiner Jeanstasche. In diesem Moment fiel ihm sofort ein, was es war. Es war der Drohbrief der Spanier, den er vorhin Ben gezeigt und danach grob zusammengeknüllt zurück in seine Tasche gestopft hatte.
    Alex zögerte noch etwas, bevor er seine Arme unter seinem Kopf hervor nahm und das Papier daraufhin behutsam entfaltete. Danach glättete er es noch etwas und begann damit, das Foto nachdenklich zu betrachten. Durch das viele Knicken war es mittlerweile so zerfurcht, dass sich blitzförmige, weiße Linien durch das gesamte Bild zogen. So wirkte es älter, als es eigentlich war.
    Mit einer Hand hielt er das Papier fest, die andere schob er zurück unter seinen Hinterkopf. Das Foto stellte für ihn noch immer eine Art Beweis dar. Ein Beweis für das, was er sich lange Zeit nicht hatte eingestehen wollen. Es zeigte ihn und Ben beim Sex und damit ihn in einer absolut schwulen Konstellation.
    Der Anblick des Bildes trieb ihn in die Verzweiflung. Dieses Mal allerdings nicht, weil er mit dem Brief einen handfesten Grund hatte, Ben aus seinem Leben vertreiben zu müssen, damit er das seinige wieder in den Griff bekam. Nein, denn es machte ihn nur deshalb so wahnsinnig, weil es ihm verdeutlichte, dass er verloren hatte. Er fühlte sich hilflos und erbärmlich und wusste dabei nicht einmal, wo Ben sich aktuell aufhielt.
    Von Beginn an hatten die beiden eine Art Spiel miteinander gespielt, an dessen Verlauf und dem unvorhersehbaren Ende sich jeder von ihnen auf seine individuelle Art und Weise beteiligt hatte. Doch jetzt war dieses Spiel plötzlich zu Ende und das, obwohl Alex sich längst nicht darauf eingestellt hatte. Ben hatte den letzten Zug gemacht, weshalb dem Blonden nun nichts anderes mehr übriglies, als das radikale Ende akzeptieren zu müssen. Doch das wollte und konnte er nicht. Mittlerweile war so viel geschehen, dass es ihm egal geworden war, was andere über ihn dachten. Er wollte sich nicht länger verstecken, sondern das ausleben, wonach er sich sehnte. Er fühlte sich zu Ben hingezogen, wollte Zeit mit diesem verbringen und ihm dabei so nahe wie möglich sein. Er hatte sich verliebt. Dafür gab es keine Zweifel mehr. Es war das erste Mal, dass ihm etwas Derartiges passiert war und noch vor wenigen Wochen hätte er niemals geglaubt, dass seine erste große Liebe einem anderen Mann gelten würde.
    Doch jetzt war Ben weg und Alex wusste nicht einmal, wohin er gefahren war. Er hoffte sehr, dass sich der Dunkelhaarige noch in Hamburg aufhielt und ihm damit die letzte Chance gewährte, seinen Fehler wieder gut zu machen. Diese Chance wollte er nutzen und dabei endgültig auf sein Herz hören.
    Vermutlich war es tatsächlich sein Vater gewesen, der ihm unbewusst eine derartige Denkweise über Schwule eingetrichtert hatte. Alex konnte sich jetzt, im Nachhinein, an viele beispielhafte Situationen zurückerinnern. Eigentlich war es absurd, dass er seinem Vater mit der Zeit so ähnlich geworden war. Offenbar hatte er gar nicht mitbekommen, wie sehr er sich diesem unbewusst angepasst hatte. Der Grund dafür war möglicherweise, dass er seinen Vater zwar noch nie hatte leiden können, aber dennoch stets großen Respekt vor ihm gehegt hatte. Er hatte Jo nachgeeifert und über einen langen Zeitraum versucht, mit allen möglichen Mitteln Anerkennung von ihm zu erhalten. Deshalb hatte er sich auch für das Architekturstudium entschieden, das ihm eigentlich überhaupt nicht lag und auch keine Freude bereitete. Doch mit dieser Eigenartigkeit hatte er sein Leben ziellos gelebt - bis zu dem

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