Wintermond (German Edition)
fragte Nick.
„Mann, Nick! Was willst du denn von mir hören? Du tauchst plötzlich hier auf und verhältst dich, als ob nie etwas zwischen uns gewesen wäre. Merkst du nicht, wie wir uns hier was vormachen?“
Nick schielte auf sein Glas, presste die Lippen dabei fest zusammen und schien nachzudenken. Ben nahm sich innerlich wieder zusammen und hoffte, nicht zu harsch zu seinem Exfreund gewesen zu sein. In der Zwischenzeit brachte die Bedienung ihnen zwei neue Drinks und nahm daraufhin auch Nicks mittlerweile leeres Glas an sich.
„Was ist denn nur mit dir los?“, fragte Nick dann. „Ich erkenn’ dich überhaupt nicht wieder. Du warst doch früher nicht so zickig.“
Ben musste sich wirklich zusammenreißen, um nicht lauter zu werden. Er fühlte sich ungerecht behandelt und wollte sich nicht unterstellen lassen, zickig zu sein. Vermutlich war die ganze Idee mit Nicks Besuch schlecht gewesen. Ja, er hatte Ablenkung gebraucht, aber mit Sicherheit nicht eine derartig angespannte. Er trank aus seinem Glas, behielt die bittere Flüssigkeit einen Moment in seinem Mund und schluckte sie schließlich in einem großen Schwall hinunter. Mit dem Strohhalm rührte er in den Eisstücken.
„Ich bin nicht zickig“, sagte er gekonnt ruhig. „Es ist nur alles nicht so einfach.“
Er blickte auf und sah seinem Gegenüber fest in die Augen. Je stärker er sich zu konzentrieren versuchte, umso unklarer wurde das Bild vor ihm. Die harte Kopfarbeit der letzten Tage wirkten sich im Zusammenspiel mit dem Alkohol ermüdend auf sein Gemüt aus. Er hatte Mühe, seine Augenlider nicht einfach zufallen zu lassen und versuchte sich mit immer neuen Schlucken aus seinem Drink wachzuhalten.
„Genieß doch einfach, dass ich da bin!“, erwiderte Nick ebenso gedämpft und lächelte zaghaft.
„Okay.“
„Also, erzähl’ mir mehr von diesem Alex!“, forderte Nick ihn dann wieder grinsend auf, lehnte sich erneut in seinem Stuhl zurück und hielt seinen Mojito dabei in der linken Hand.
Nun musste Ben doch ehrlich lachen und schüttelte ungläubig seinen Kopf.
„Du kannst es nicht lassen, was?“, fragte er grinsend.
„Na ja, ich hab’ dich beobachtet“, erklärte Nick. „Nicht nur, wie du ihn das eine Mal angestarrt hast. Auch so. Zum Beispiel beim Abendbrot. Du findest was an dem. Das merkt man einfach und ich kenn’ deine Blicke gut genug, um zu wissen, was sie bedeuten.“
„Ach? Und was bedeuten sie?“
„Das hab’ ich doch schon gesagt“, meinte Nick. „Du willst was von dem.“
„Oh“, machte Ben daraufhin und hob winkend seinen Zeigefinger. „Nein, nein, nein, nein, nein“, wiederholte er sich schnellen Wortes. „So kann man das nicht sagen.“
„Wie denn dann?“, hakte Nick weiter nach.
Ben zögerte einen Moment lang, bevor er seinen Exfreund skeptisch betrachtete und fragte: „Warum interessiert dich das überhaupt so brennend?“
Nick zuckte daraufhin mit der Schulter und rührte dabei unschuldig tuend in seinem Cocktail. Ben beobachtete ihn feixend. Die angespannte Stimmung war tatsächlich verflogen. Stattdessen fühlte sich dieses Gespräch sogar gut an. Ben spürte, wie sein Verstand immer mehr in dem Alkohol ertränkt wurde. Seine Gedanken wurden einfacher und stupider. Jegliche Komplexität schien aus seinem Kopf gewichen zu sein. Er betrachtete Nick nachdenklich. Mit einem Mal machte sich nur noch ein einziges Gefühl in ihm breit: Vertrautheit. Das war es, was ihm die letzten Tage und Wochen gefehlt hatte. Er hatte Nick vermisst und damit das ungezwungene Gefühl, jemanden zu haben, der einem interessiert zuhörte und für einen da war.
„Hat es dir die Sprache verschlagen?“, riss Nick ihn aus den Gedanken und grinste keck.
„Vielleicht ...“, erwiderte Ben und hob andeutungsvoll eine Augenbraue. Er streckte seine Hand aus und zog mit dem Ringfinger elegante Linien über den Tisch. Er spürte Nicks Blick auf seiner Hand, dann auf sich und sah schließlich zu ihm auf. Grüne Augen trafen auf seine. Ben wagte es weder zu atmen noch zu schlucken. Mit halb geöffnetem Mund starrte er sein Gegenüber an, fuhr sich dabei unbewusst mit der Zunge über die Lippen und presste diese daraufhin fest zusammen. Nick beobachtete das, was er mit seinem Mund tat, blickte dann aber wieder zurück in seine Augen. In Bens Kopf dehnte sich eine zunehmende Leere aus und in seinem Bauch spürte er ein angenehmes Kribbeln. Sein ganzer Körper wurde innerlich von einer Gänsehaut durchzogen, die sich bis
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