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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Ceder
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schlechtes Gewissen und wollte, dass die Sünder für ihr Vergehen bezahlen. Oder sie brauchte einfach nur Geld für den nächsten Schuss, als sie die Briefe schrieb. Und jetzt hat sie Gewissensbisse. Oder sie ist selbst mal Opfer einer Vergewaltigung geworden, und indem sie jetzt ...«
    »Aber es lag doch gar keine Vergewaltigung vor.«
    »Vielleicht war sie sich da nicht so sicher. Wahrscheinlich sieht sie nach dem Tod ihres Bruders die Dinge in einem anderen Licht. Natürlich möchte sie, dass der Mörder gefasst wird. Und das mit dem Geld hält sie sicher für verjährt.«
    Tell seufzte. »Lassen wir die Sache vorerst auf sich beruhen.«
    Im Handschuhfach hatte jemand eine Schachtel Halsschmerztabletten liegen lassen. Karin Beckman nahm sich zwei. »Was glaubst du?«, erkundigte sie sich nachdenklich.
    Tell brauste weiterhin mit einer Geschwindigkeit durch die Nacht, die Sirene und Blaulicht auf den Plan gerufen hätte, wäre die Gegend nicht so gottverlassen. »Ehrlich gesagt, ich weiß auch nicht«, sagte er schließlich. »Ich hab nur so ein Gefühl, dass es um Zeit geht. Noch mehr als sonst.«
    Karin Beckman überlegte, ob sie Tell nicht überreden sollte, die Kollegen der örtlichen Polizei einzuschalten, die Sven Molins Hof vor ihnen erreichen könnten. Und ob sie zu Hause anrufen und Bescheid geben sollte, dass sie heute spät kommen würde.
    Als sie neu im Team war, befriedigte es sie insgeheim, dass sie hinter Tells schroffer Fassade einen Ermittlungsleiter entdeckt hatte, der selbstkritisch war und mehr Einsicht in zwischenmenschliche Beziehungen hatte, als er zugeben wollte. Doch in letzter Zeit erkannte sie ihn kaum wieder. Er wirkte zerstreut und schien ständig mit Dingen beschäftigt, die er dem Team vorenthielt.
    »Sag mal, ist irgendwas?«, wagte sie schließlich doch zu fragen. »Ich meine, noch irgendwas anderes?«
    Als er sich vorbeugte, um das Radio anzuschalten, kam das Auto auf der rechten Seite leicht von der Fahrbahn ab. »Entschuldige, was hast du grade gesagt?«
    »Ich hab gesagt: Ist irgendwas?«
    Da er wieder keine Antwort gab, lehnte sie sich zurück und seufzte. »Du hast noch ein paar Minuten, um deine Informationen mit mir zu teilen. Du musst es tun. Vielleicht kann ich dir nicht helfen, aber ich kann dir zumindest zuhören.«
    Die Kurve der Abfahrt war schärfer, als er gedacht hatte, und die Reifen protestierten quietschend auf der brüchigen Asphaltdecke. »Ich dachte bloß, dass ...« Sie suchte nach den richtigen Worten. »Dir scheint in letzter Zeit so viel durch den Kopf zu gehen. Ich seh doch, dass dir was auf der Seele liegt.«
    Nachdem Tell ihr einen zweifelnden Blick zugeworfen hatte, fügte sie schnell hinzu: »Ich meine – abgesehen von diesem Fall.«
    »Dir entgeht auch nichts. Aber wenn du es unbedingt wissen willst: Ich hab an ein Gespräch gedacht, das ich neulich mit Ann-Christine geführt hab ...«
    Das war ein Test. Wenn sie wusste, was er wusste, würde sie die Botschaft kapieren: Einerseits wollte er über den Tod reden, der plötzlich so schrecklich nahe kam, andererseits wollte er nicht verraten, was ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut worden war. Er hatte noch nie von ihr als »Ann-Christine« gesprochen – wenn er zu Scherzen aufgelegt war, hatte er sie höchstens mal »Chefin« genannt.
    Nachdem Karin Beckman ihm mit einem Nicken zu verstehen gegeben hatte, dass sie eingeweiht war, herrschte beklommenes Schweigen.
    »Das Schlimmste ist, dass ich mich so unnütz fühle«, fuhr er nach einer Weile fort.
    »Weil du Angst hast?«
    »Weil ich spüre, dass irgendetwas von mir erwartet wird.«
    »Warum glaubst du, dass sie von dir mehr erwartet als von allen anderen?«
    »Nein, ich weiß nicht, ob ich glaube ... Kannst du mal auf dem Routenplaner nachsehen, ob wir noch richtig sind?«
    Sie raschelte mit dem Straßenplan und dirigierte ihn an einer dunklen Kreuzung auf den richtigen Kiesweg. »In deiner Eigenschaft als Kommissar oder in deiner Eigenschaft als ihr Freund?«
    »Ach, verdammt, ich weiß doch auch nicht. Ich arbeite schon so lange mit ihr zusammen, ich ... Zwischen uns hat die Chemie immer gestimmt.«
    »Du glaubst, sie wird dir fehlen.«
    »Verdammt, Beckman! Weißt du, dass du den Leuten immer Dinge in den Mund legst?«, zischte er wütend. »Lernt man das in diesen Psychologie-Kursen?«
    Im nächsten Moment hatte er sich wieder gefangen und seufzte. »Ich fühl mich wie ein tollpatschiges Kind. Und das Schlimmste ist, dass ich

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