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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Ceder
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seinem Versteck heraus Molins zwölf Jahre alte Scham und Angst zu beobachten.
    Er zog sich weiter hinter den baufälligen Schuppen zurück. Einen Moment war Sebastian gefährlich nah dran, einfach zum Haus zu gehen und anzuklopfen. Zu gern hätte er nach dem Weg zur nächsten Tankstelle gefragt, nur um zu sehen, wie Molin ihn musterte.
    Im letzten Augenblick rief er sich zur Ordnung: Heute nur die Lage auskundschaften! Sein grünes Zelt mit dem Tarnmuster hatte er dort aufgeschlagen, wo der Wald am dichtesten war, in sicherem Abstand zum Hof.
    Früh genug würde er Molins Todesangst aus nächster Nähe zu sehen bekommen, wenn auch nur ganz kurz.

55
    Getrieben von bösen Vorahnungen, trat Tell das Gaspedal durch. Es war kurz nach acht, und nachdem sie Kungälv hinter sich gelassen hatten, lag die Straße frei vor ihnen. Rechts und links wurde der Wald immer dichter.
    Er hatte Lust auf eine Zigarette, doch dann ließ er nur das Fenster herunter, um sich nicht mehr so eingesperrt zu fühlen. Es duftete nach Nadelwald, und der Sternenhimmel war viel zu schön für diesen Moment. Ärgerlicherweise schweiften seine Gedanken ab, und er versuchte, Sejas Bild zu verscheuchen.
    Der Verrat schmerzte ihn wie Sodbrennen.
    Eigentlich war es ganz einfach. Sie hatte den Erfolg seiner Arbeit aufs Spiel gesetzt – was indirekt zur Folge hatte, dass sie auch Menschenleben aufs Spiel gesetzt hatte –, ebenso wie sein Vertrauen. Sie hatte ihm nicht nur Fakten vorenthalten, die zur Klärung eines Mordfalls beitragen konnten, sondern auch noch heimlich private Ermittlungen angestellt. Gleichzeitig hatte sie ihm schön zugehört, wie er ihr arglos seine im Nachhinein so offensichtlich falschen Hypothesen unterbreitete. Sie hatte ihn hinters Licht geführt. Je länger er darüber nachdachte, umso mehr schämte er sich. Er hatte sich von einer Zeugin verführen lassen und damit einen ernsten Verstoß begangen, der den gegenseitigen Respekt zwischen seiner Chefin und ihm zu unterminieren drohte.
    Offenbar war er heute Abend außerstande, sich gegen seine unheilvollen Assoziationen zur Wehr zu setzen, denn nun quälte ihn die Erinnerung an sein letztes Gespräch mit Ann-Christine Östergren. Er musste sich einfach eine Zigarette anzünden und warf Karin Beckman einen entschuldigenden Blick zu.
    Sie antwortete mit einem Achselzucken. »Du siehst aus, als würdest du sie wirklich brauchen.«
    »Ich denk immer noch über diesen Brief nach«, begann Tell nach einer Weile.
    »Der Gedanke liegt nahe, dass Edell und Bart auch so einen gekriegt haben.«
    »Edell war ja schon tot.«
    »Wieso denn das?«
    »Zu der Zeit war er doch schon tot. Molins meinten, sie hätten den Brief ein paar Jahre nach dem Überfall gekriegt, und der war 1995. Und Edell ist ’98 oder ’99 gestorben, wenn ich mich recht entsinne.«
    »Er hätte auch noch am Leben sein können. Wie können wir das rausfinden? Wenn er kurz vor dem Versand des Drohbriefs gestorben wäre, könnte es durchaus sein, dass Lise-Lott den Brief bekam – als Hinterbliebene.«
    »Meinst du nicht, dass sie das erwähnt hätte?«
    Sie wühlte in ihrer Handtasche. »Warum lange spekulieren?«
    Sie wählte Lise-Lott Edells Nummer und klappte das Handy nach einem kurzen Gespräch wieder zusammen. »Sie weiß nichts von einem Brief. Entweder hat Edell ihn noch persönlich bekommen, bevor er ins Gras biss, oder der Absender wusste im Gegensatz zum Mörder, dass Edell schon tot war.«
    »Das würde bedeuten, dass Mörder und Absender nicht identisch sind.«
    »Ja, aber das war doch schon klar, oder?«
    Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander und grübelten.
    »Ich muss gerade an Susanne Jensen denken«, sagte Karin Beckman schließlich.
    Tell lächelte. »Ich auch. An ihre Akte vom Sozialamt.«
    »Genau. Da stand, dass sie Legasthenikerin ist. Frau Molin hat doch erzählt, dass in dem Brief Groß- und Kleinbuchstaben ganz willkürlich verwendet waren.«
    Plötzlich rannte ein Hase über die Straße, und Tell stieg erschrocken auf die Bremse. Er schlug aufs Lenkrad. »Obwohl ... irgendwie passt das nicht. Susanne Jensen ist die Schwester eines der Täter von 1995. Was zum Teufel hat sie mit der ganzen Sache am Hut? Außerdem ist sie ja zu dir gekommen und hat dir alles erzählt. Von Olofs Beichte im Suff. Wenn sie versucht hätte, Molin und Edell zu erpressen, würde sie dann die Aufmerksamkeit der Polizei auf den Fall lenken und ihre eigene Entlarvung riskieren?«
    »Vielleicht hatte sie ein

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