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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Ceder
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herausgestellt.
    Der Stall mit den Nerzen war natürlich abgesperrt. Sie warf einen Blick hinein und erkannte im schwachen Schein einer Neonröhre reihenweise aufeinandergestapelte Käfige. »Na, wenn die Aktivisten hier reinwollen, dann schaffen sie das auch«, murmelte sie zufrieden, nachdem sie an dem Gitter vor den Fenstern gerüttelt hatte.
    Auf einmal hörte sie hinter sich Schritte im Gras, und bevor sie noch die Waffe ziehen konnte, packte sie jemand bei der Jacke. Es war Tell. Hätte er nicht so einen verzweifelten Gesichtsausdruck gehabt und den Zeigefinger auf die Lippen gelegt, hätte sie ihm eine geklebt. »Verdammt noch mal«, zischte sie, »du hast mich zu Tode erschreckt!«
    »Komm schon, hier lang«, flüsterte er und zog sie mit sich.
    Das Herz schlug ihr bis zum Halse. Als Tell sie wenige Sekunden später erwartungsvoll ansah, musste sie sich alle Mühe geben, einen klaren Gedanken zu fassen. Im Licht seiner Taschenlampe zeigte er ihr, was er auf der Rückseite des Schuppens gefunden hatte.
    Jemand hatte hier sein Lager aufgeschlagen. Ein Rucksack lehnte an der Wand, aus dem Außenfach ragte eine Landkarte. Darauf lag zusammengefaltet ein Pullover, und auf diesem ein Fernglas.
    »Der kommt auf jeden Fall zurück, er hat schließlich sein Fernglas hiergelassen. Weit kann er nicht sein, wahrscheinlich ist er nur kurz ...«
    Ihr Flüstern verstummte, als im Wald ein Zweig knackte.
    So leise sie konnten, zogen sie sich ein paar Meter ins Dickicht zurück.
    Ist doch immer wieder das gleiche Gefühl, dachte sie und klammerte sich an Tells Mantelärmel. Jetzt bilde ich mir wieder ein, dass man meinen Herzschlag meilenweit hören kann. Zum einen hatte sie Todesangst, zum anderen beseelte sie eine unerklärliche Euphorie.
    Später stellte sich heraus, dass der Mann sowohl eine Pistole in der Jackentasche als auch ein Jagdmesser gehabt hatte. Doch er war dermaßen überrumpelt, dass er nicht dazu kam, eine der beiden Waffen zu zücken, als sie von beiden Seiten auf ihn zusprangen und ihn überwältigten.

56
    Der Stuhl hatte eine Rückenlehne aus Plastik und war nicht sonderlich stabil. Wahrscheinlich war der Tisch am Boden verschraubt, aber es war ja auch egal, er hätte sowieso nicht die Kraft gehabt, ihn gegen die verriegelte Tür zu werfen. Für solche Taten brauchte es Wut, und er war nicht mehr wütend. Er war überhaupt nichts mehr. Als ihm die Arme auf den Rücken gedreht wurden von diesem keuchenden Menschen mit hochrotem Kopf, den er in seinem verwirrten Zustand für Caroline oder die weibliche Entsprechung des Leibhaftigen gehalten hatte, war ihm klar, dass das Spiel für ihn zu Ende war.
    Er hatte durchaus damit gerechnet, dass es passieren könnte. Vielleicht nicht gerade auf diese Weise, aber er hatte doch einkalkuliert, dass er auffliegen könnte, bevor sein Werk vollendet war.
    Er verfluchte seine Achtlosigkeit. Um seiner Unruhe irgendwie Herr zu werden, war er spazieren gegangen und hatte sich dabei zu weit von seinem Lager entfernt. Er hatte Spuren hinterlassen, die ihn verraten und der Polizei direkt ausgeliefert hatten. Was für idiotische Fehler. Man musste schon ein ausgemachter Volltrottel sein, um auf diese Weise monatelange Vorbereitungen zunichte zu machen. Er konnte sich Solveigs Stimme bestens vorstellen: Was hast du gemacht, Sebastian, deine Schwester hätte niemals ... Und er hätte den Satz vollendet: ... so versagt wie du .
    Er hatte keinen Widerstand geleistet und zeigte sich weitgehend kooperativ, ohne allerdings auf ihre Fragen zu antworten.
    Die knappe SMS, die er – für alle Fälle – vorbereitet hatte, schickte er ab, indem er mit ein paar geübten Griffen die Tasten des Handys in seiner Jackentasche drückte.
    Er wusste, dass sie sofort verstehen würde.
    Während sie auf die eiligst verständigte Verstärkung warteten, ließ er sein Telefon einfach fallen. Natürlich würden sie es bei einer späteren Untersuchung des Geländes finden, aber da war es dann zu spät. Unauffällig drückte er das Handy mit der Fußspitze in den nassen Boden. Zwar wichen ihm die beiden verbissenen Polizisten, die ihre Aufregung nur schlecht verbergen konnten, nicht von der Seite, aber die Dunkelheit kam ihm zugute.
    Als der Streifenwagen eintraf und die Beamtin ihn behutsam auf den Sitz schob, lächelte er zufrieden in sich hinein.
    Der große Kommissar, der mit seinem zerknitterten Anzug und dem Dreitagebart so aussah, als wäre er direkt einem Krimi entstiegen. Der kleine Dicke mit

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