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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Ceder
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der niedrigen Stirn, dem die Jeans irgendwo unter der Wampe hing. Und dazu dieses Mannweib mit dem Polizeiabzeichen am Pullover. Die glaubten doch alle, er sei leicht zu knacken. Nachdem sie ihn wie einen Fisch an Land gezogen hatten, glaubten sie tatsächlich, sie müssten ihn nur noch mit ihren dümmlichen good cop-bad-cop -Parodien bearbeiten, und schon würde er zusammenbrechen und die Wahrheit herauslassen wie ein angestochener Reifen die Luft.
    Allerdings hatte er sich noch nicht für eine bestimmte Strategie entschieden, als er sich auf den Stuhl in dem kleinen fensterlosen Zimmer setzte. Sein Schweigen war weniger Taktik als Verweigerung und hatte nichts damit zu tun, dass er seine Taten nicht hätte zugeben wollen.
    Darauf waren sie offensichtlich vorbereitet. Das lächerliche Team hatte einen Plan für solche Situationen ausgearbeitet, in dem jeder und jede eine feste Rolle spielte.
    Das Fass: Langweilig und unprofessionell aggressiv, aber selbst dann noch zu dumm, die Lösung eines Problems zu sehen, wenn sie ihm ins Gesicht sprang. Die Alte: Suchte Augenkontakt und wollte ihn mit gespieltem Mitleid drankriegen. Der Anzug: Spielte abwechselnd den netten Kerl, der ihm Zigaretten und abgepackte Brötchen anbot, um dann wieder mit der Faust auf den Tisch zu schlagen und eine Gegenleistung zu verlangen.
    Doch nichts konnte ihn zum Reden bewegen, denn was immer sie sagten – es war ihm egal. Wenn er etwas konnte, dann seinen Körper bei Bedarf verlassen und sich mit seinen Gedanken an einen Ort zurückziehen, wo niemand ihn mehr erreichen konnte.
    In dem fensterlosen Vernehmungszimmer verlor er jedes Zeitgefühl. Ihm war nur klar, dass schon ein Großteil der Nacht verstrichen sein musste.
    Aus reiner Neugier überlegte er, ob er versuchen sollte, ihnen zu erklären, wie es abgelaufen war. Er hatte keine Angst, ins Gefängnis zu wandern, denn damit hatte er früher oder später sowieso gerechnet. Seine Sicherheitsmaßnahmen hatte er nur getroffen, weil er vermeiden wollte, was dann doch geschehen war: Dass er festgenommen wurde, bevor er sein Vorhaben zu Ende gebracht hatte.
    Mehrmals öffnete er den Mund und wollte schon anfangen zu reden, aber er wusste, dass seine Worte sowieso nicht durch die Störgeräusche dringen würden.
    Erst als der Anzug sich über den Tisch beugte, konnte Sebastian die übertrieben deutlich ausgesprochenen Worte verstehen. »Du hast den falschen Mann umgebracht, stimmt’s, Sebastian? Thomas Edell wolltest du ermorden, weil du denkst, dass er in dieser Nacht vor zwölf Jahren versucht hat, deine Schwester zu vergewaltigen. My, nicht wahr? Er, Olof Pilgren und Sven Molin.«
    Der Anzug drückte die Handflächen fest auf die Tischplatte und leierte immer weiter: »Weil man es als Unfall ad acta legte und weil es keine Beweise gab. Weil die Polizei damals so verdammt stümperhaft gearbeitet hat. Weil es hieß, My könnte ja gestürzt sein und sich den Kopf unglücklich an einem spitzen Stein aufgeschlagen haben. Als ob sie plötzlich den Verstand verloren hätte, freiwillig in den dunklen Wald gerannt wäre und sich Hals über Kopf in den Schnee geworfen hätte, um zu sterben.«
    Sebastian spürte, wie die Blicke auf ihm brannten. Das Rauschen hatte aufgehört, und die Worte stürzten unbarmherzig auf sein Trommelfell ein. »Weil sie ins Koma fiel und starb, wegen dieser drei widerlichen Kerle. Deswegen hast du Jahre darauf verwendet, das zu tun, was Aufgabe der Polizei gewesen wäre: Du hast Fragen gestellt, deine Schlüsse gezogen und nach und nach herausgefunden, wer dahintersteckte. Und als du es wusstest, bist du zu einem Rachefeldzug aufgebrochen, um deine Schwester zu rächen. Thomas Edell, Olof Pilgren und Sven Molin, stimmt’s? Aber du hast bloß zwei erwischt, und einer von denen war auch noch der Falsche.«
    Sebastian Graniths dünner Pony klebte ihm an der Stirn. Langsam hob er den Kopf und sah Tell in die Augen.
    Der Kommissar konnte in diesem Blick nichts entdecken, was er irgendwie hätte deuten können, und das erschreckte ihn mehr als alles andere. »Du wusstest gar nicht, dass du den falschen Mann ermordet hast, hab ich recht, Sebastian?«, fuhr er jetzt leiser fort. »Das hörst du gerade zum ersten Mal, hm? Du hast ihn für Thomas Edell gehalten, weil es Thomas Edells Hof war, weil sein Name auf dem Schild stand und der Mann offensichtlich mit Lise-Lott Edell verheiratet war. Lag ja nahe. Du hast ihm in den Kopf geschossen und mehrmals mit deinem Auto überfahren.

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