Wintermord
ein, die Bärneflod aus irgendeinem Winkel des Präsidiums hervorgekramt hatte. Ein rot bemalter Kerzenleuchter war ebenfalls wieder zu Ehren gekommen und brannte jetzt mit den Neonröhren um die Wette.
Die morgendliche Besprechung hatte bis jetzt nur dazu gedient, dem Team die Fakten zu präsentieren, die am Vortag zusammengetragen worden waren. Tell hatte sie darüber in Kenntnis gesetzt, dass man in den nächsten Tagen – niemand kommentierte die Tatsache, dass Weihnachten vor der Tür stand – alle anderen laufenden Ermittlungen auf Eis legen und sich ausschließlich mit dem Mord in Björsared beschäftigen würde.
Die Kriminaltechniker hatten ihren mündlichen Bericht von Magnus Johansson vortragen lassen, der seine Ferien unterbrochen hatte, um zu ihnen zu stoßen. Er erklärte, dass die im Kopf des Opfers gefundene Kugel laut Kriminaltechnischem Labor in Stockholm aus einer 9 mm Browning stammte.
Ein Anruf von Gerichtsmediziner Ingemar Strömberg wurde auf Lautsprecher gestellt. »Ich glaube, ich kann euch kaum Neuigkeiten mitteilen«, erklärte Strömberg bedauernd, nachdem er sein Headset endlich richtig eingestellt hatte. »Lars Waltz ist durch einen Pistolenschuss in den Kopf ermordet worden, er ist sofort zusammengebrochen, wahrscheinlich vornüber gefallen und in seitlicher Position liegen geblieben, woraufhin er überfahren wurde.«
»Wann und womit?«
Diese Frage kam von Karlberg.
»Wie ich schon sagte: Irgendwann im Laufe des Abends oder der frühen Nacht. Nach sieben, aber vor Mitternacht. Auf genauere Angaben müsst ihr bis nach Weihnachten warten. Auf deine andere Frage kann ich nur antworten: mit einem Fahrzeug, das schwerer als ein normaler Pkw war. Zum Beispiel ein Jeep.«
Johansson nickte zustimmend. »Den Reifenspuren nach zu urteilen, die die Hüftpartie und den Brustkorb zerquetscht haben, kommt die Vermutung mit dem Jeep gut hin.«
Als niemand etwas sagte, fuhr Strömberg fort. »Der Körper wurde auf den Rücken geschleudert, als er gerammt wurde, und dann ein zweites Mal überfahren, diesmal im Rückwärtsgang. Vielleicht hat der Täter in seiner Wut nicht in den Rückspiegel gesehen, sondern einfach den Rückwärtsgang eingelegt und Gas gegeben, mit dem Resultat, dass es diesmal nur die unteren Körperteile erwischte: Kniescheiben, Schienbeine und Füße. ›Nur‹ in Anführungszeichen. Alles total zersplittert ... tja.«
Er klang ein wenig verlegen, als wäre ihm die intellektualisierte Brutalität seiner Arbeit in diesem Moment zu Bewusstsein gekommen.
»Du wolltest sagen, dass die meisten Schäden beim ersten Überfahren angerichtet wurden. Als der Täter rückwärts fuhr, hat er schlecht gezielt und ist dem Opfer nur über die Füße gefahren«, präzisierte Tell.
»Genau. Vielleicht nicht gerade ein mildernder Umstand in Anbetracht der Tatsache, dass Waltz bereits tot war.«
Johansson nickte vorsichtig. »Im Prinzip wurde der Unterkörper nur noch von der Kleidung zusammengehalten.«
Tell war froh, dass Lise-Lott Edell nicht früher von den Kanarischen Inseln zurückgekehrt war.
»Bevor ich es vergesse«, sagte Strömberg. »Waltz hatte eine geringfügige Menge Alkohol im Körper, wie nach dem Konsum von ein paar Gläsern Wein.«
Nachdenkliches Schweigen senkte sich über den Raum, nachdem der Gerichtsmediziner aufgelegt hatte.
Magnus Johansson wandte sich wieder seinen Notizen zu. »Wir haben ein paar frische Schuhabdrücke gefunden – von den Sportschuhen des Opfers, Größe 43. Aber selbst wenn da noch andere gewesen wären, hätten sie von jedem Kunden stammen können, der sein Auto dort in den letzten Tagen abgegeben oder abgeholt hat. Keine Anzeichen eines Kampfes zwischen Opfer und Täter, weder an der Kleidung noch am Körper des Opfers, und in der Umgebung auch nicht. Neben dem Toten haben wir blaue Textilfasern im Kies gefunden, aber die stammten von seinem eigenen Pullover.«
»Okay, und sonst?«
»Das Blut am Tatort stammte ausschließlich vom Ermordeten. Ein Kaugummipapier, das vor dem Wintergarten lag, wies jede Menge Fingerabdrücke auf – höchstwahrscheinlich von diversen Verkäufern. Nein, also da gibt es auch nichts zu holen.«
Nachdem Johansson die Versammlung verlassen hatte, klatschte Tell in die Hände, um das allgemeine Stimmengewirr zu unterbrechen. Gonzales brachte die Theorie vor, dass der Täter sein Auto vielleicht überhaupt nicht verlassen hatte. Dass er auf den Hof gefahren war, Waltz dazu gebracht hatte, ans Auto zu treten,
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