Wintermord
lächerlich.
Reino Edell mochte ein paranoider Vollidiot sein, in einem hatte er allerdings Recht: Zachariasson war schwul. Das verriet nicht nur sein hellrosa Hemd, das er lässig über seine knallenge Jeans hängen ließ, obwohl er sicher schon auf die Fünfzig zuging.
Nein, es war ein Gefühl. Bärneflod prahlte gern mit seinem hoch entwickelten Schwulenradar. Er konnte einen Schwulen aus zwanzig Meter Entfernung in einer Menschenmenge orten. Wenn ihn jemand zwang, sich ausführlicher über dieses Talent zu äußern, behauptete er, es liege an der Art, wie sie sich bewegten.
Mittlerweile war er seit fast vierzig Jahren Polizist, und seiner Meinung nach erwarb man in seinem Job genug Menschenkenntnis. Schade nur, dass die jüngere Generation Erfahrung nicht mehr zu schätzen wusste. Gehaltstechnisch stand er schlechter da als zum Beispiel Karin Beckman. Warum sie so zügig in der Hierarchie aufstieg, war nicht schwer zu erklären – das waren eben diese Quotenregelungen heutzutage.
Bald würden die Polizisten ausgestorben sein, die sich noch mit der guten alten Polizeiarbeit auskannten. Heutzutage ging es fast bloß noch darum, frohgemut alle zwei Jahre seine ganze Arbeitsroutine auf den Kopf zu stellen wegen eines bahnbrechenden neuen Computerprogramms. Ha, er hätte den Chefs einiges über effektive Investitionen beibringen können.
In einer anderen Wohnung hätte Bärneflod angenommen, dass die Küche, in der er saß, von einer Frau eingerichtet worden war. Wohnlich, aber geschmackvoll, hätte seine Frau Ulla gesagt. Und die verstand was davon. Das musste man ihr lassen.
Er räusperte sich. »Sie wissen, warum ich hier bin?«
»Ja«, antwortete Zachariasson ruhig. »Das wird wohl mit Lasses Tod zu tun haben.«
Ein Kosename. Tja, das hätte man sich gleich denken können.
»Lise-Lott hat mich kurz danach angerufen. Lasse und ich standen uns sehr nahe.«
Ja, so konnte man es wohl nennen.
»Was für eine schreckliche Geschichte. Ich bin total mitgenommen.«
Bärneflod zückte umständlich seinen Block, um sich eine Notiz zu machen, die sein Gegenüber nicht sehen konnte. Aber er schrieb nur Blumen für Ulla in die oberste Zeile.
»Wie war Ihr Verhältnis zu Ulla?«
Nun konnte Zachariasson seine Verblüffung nicht mehr verstecken. »Zu welcher Ulla?«
»Waltz. Ich meine Lars Waltz. Sie haben gesagt, Sie standen sich sehr nahe?«
»Ja, allerdings. Wir sind zusammen aufgewachsen, und ab der ersten Klasse zusammen in die Schule gegangen.«
Bärneflod nickte und schrieb: Schule kontrollieren .
»In Majorna. Unsere Mütter waren auch befreundet, jedenfalls als wir noch klein waren. Wir gingen sogar in den gleichen Kindergarten. Als wir uns auf dem Gymnasium dann für verschiedene Zweige entschieden, haben wir uns außerhalb der Schule getroffen.«
»Hat sich Ihre Beziehung irgendwann verändert? Als Sie erwachsen wurden zum Beispiel?«
Zachariasson versuchte sich ins Philosophieren zu retten. »Verändert sich eine Beziehung nicht ständig? Ich meine, sie wird doch durch die verschiedene Lebenssituation beider Parteien beeinflusst.«
Bärneflods ausdruckslose Miene sprach Bände, und Zachariasson präzisierte hastig: »Ich meine, eine Zeit lang haben wir uns nicht so oft gesehen, in den Achtzigern, als unsere Lebenssituationen eben sehr unterschiedlich waren. Lasse arbeitete viel und traf seine Freunde in Kneipen und so ... Als er sich dann ein paar Jahre später scheiden ließ, hat er sich wieder bei mir gemeldet und wir haben zu unserer alten Freundschaft zurückgefunden.«
»Auf welche Art pflegten Lars Waltz und Sie Umgang?«
»Wie die meisten Leute, würde ich sagen. Wir treffen uns und reden. Haben geredet, meine ich. Wenn wir beide zu viel zu tun hatten, haben wir telefoniert. Ab und zu sind wir auch mal ein Bier trinken gegangen, aber ich war noch nie so der Kneipentyp. Lasse hatte dieses Leben am Ende wohl auch ziemlich satt.«
Als er es ausgesprochen hatte, schien ihm die Doppeldeutigkeit seiner Worte aufzugehen, und er zog ein bekümmertes Gesicht.
»Ich dachte immer, dass Leute mit Ihrer Veranlagung einen Hang zum glamourösen Leben haben«, brachte Bärneflod schließlich hervor.
Auf diese Bemerkung hin wurde Zachariasson eine Spur reservierter. »Ich gehe davon aus, dass Sie mit ›Veranlagung‹ auf die Tatsache anspielen, dass ich homosexuell bin. Das ist korrekt. Hingegen ist es ziemlich einfältig, zu glauben, dass Homosexualität einen bestimmten Typ Mensch bedeutet. Wir sind
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