Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Ceder
Vom Netzwerk:
stand alles still. »Ich habe aber beschlossen, dass ich nicht mehr beim Griechen um die Ecke einkaufen will.«
    Sie lauschte in sich hinein. Nein, heute schaffte sie es einfach nicht mehr, noch rauszugehen. »Morgen kauf ich dir Zigaretten. Ich fahr zu Coop und kauf gleich eine Stange, ich brauch selbst welche. Ist ja außerdem billiger.«
    »Nein! Verdammt noch mal, du hast es versprochen! Und morgen ist es nicht mehr wichtig! Ich brauch sie heute, für die Party!«
    »Die Party? Was für eine Party?«
    Er seufzte und verdrehte die Augen. »Das hab ich dir doch schon erzählt, merkst du dir eigentlich nie was? Ich hab gesagt, dass ich heute mit Krille ins »Evil« gehe. Sein Bruder kommt auch.«
    »Ins Evil?«
    »Das ›Evil Riders‹, der Biker-Club.«
    »Evil? Wie in ›böse‹?«
    »Das ist ein Biker-Club. Da spielt eine Band, die ich so gerne sehen will, das hab ich dir doch erzählt. Ich hab dir gesagt, dass es draußen in Frufällan ist, deswegen hab ich dich auch gebeten, Benzin fürs Moped zu kaufen. Hast du das etwa auch vergessen?«
    »Ich erlaub dir nicht, dass du da hingehst. Heute kommt deine große Schwester, und wir wollen uns alle zusammen einen schönen Abend machen. Um 15 Uhr 35 kommt ihr Zug an, ich hab ihr gesagt, dass du sie abholst. Und heute Abend bleibst du zu Hause, Sebastian.«
    Er betrachtete sie mit einer Mischung aus Verachtung und Mitleid. »Bist du bescheuert? Das ist jetzt zu spät, ich hab schon alles verabredet.«
    Ohne ihre Antwort abzuwarten, ging er in den Flur und nahm seine Jacke vom Haken. Türenknallen.
    Sie blickte auf ihre Hände und musterte den breiten Silberring mit dem grünen Stein an ihrem rechten Ringfinger. Den hatte sie von ihren Kindern zum fünfunddreißigsten Geburtstag bekommen.
    »Außerdem treiben sich auf solchen Partys nur schlechte Menschen rum«, murmelte sie ihren Händen leise zu.

28
    2006
    Der Name trat eine Lawine aus unerwünschten Erinnerungen in ihr los, Bilder, von denen sie nicht einmal gewusst hatte, dass sie sie in sich trug.
    Für einen Moment kam sie sich richtig gefühlskalt vor. Eine Welle der Scham schlug über ihrem Kopf zusammen, als sie an ihren Artikel dachte. Scham über die intimen Augenblicke mit Christian Tell, die sie mit ihrem falschen Spiel in den Dreck gezogen hatte. In ihren halb durchwachten Nächten wurde ihr plötzlich klar, dass alles ihre Schuld war: Sie war schuldig, und die Jury war zu einem einstimmigen Urteilsspruch gekommen. Und einer der Geschworenen war Christian Tell. Trotzdem schrieb sie weiter. Sie schrieb, um ihre Angst in Schach zu halten und weil die unterdrückte Scham ihr Schreiben seltsam befeuerte.
    Als sie aufwachte und im Tageslicht über ihre Optionen nachdachte, stellte sie fest, dass sie überhaupt nichts tun konnte. Sie wusste nichts, hatte nichts beizutragen als verwirrte Selbstbezichtigungen. Wahrscheinlich hatte der Abend im Biker-Club in ihrem Kopf schon tausendmal das Aussehen gewechselt. Obwohl sie schon lange nicht mehr daran zurückgedacht hatte, wusste sie, dass diese Nacht ihr Erwachsenwerden in vielerlei Hinsicht beeinflusst hatte.
    Um Viertel vor zwölf hatte Christian angerufen, gerade als die Jugendlichen unten am Hügel anfingen, ihre Feuerwerksraketen abzufeuern. Das Wohnzimmer war stockdunkel, abgesehen vom rötlichen Schein der Ofenglut.
    Die Verlockung war stärker als ihre Angst. Sie war so erleichtert, seine Stimme zu hören.
    »In zehn Minuten bin ich bei dir.«
    Seja hatte ihre einzige Partyeinladung unter dem Vorwand abgelehnt, sie sei schon anderswo eingeladen. In Wahrheit hatte sie einfach wenig Lust auf ein Fest, auf dem sie die Hälfte der Gäste nicht kannte und die andere Hälfte aus Pärchen bestand, die sie immer mit Martin getroffen hatte. Und irgendwie war sie ganz sicher, dass er auch da sein würde.
    Sie ging in den Garten, um Christian gleich entgegenlaufen zu können. Erst um Viertel nach zwölf kam er an und entschuldigte sich, als er sie umarmte. Er war ganz atemlos, und seine Hose war pitschnass, weil er im Dunkeln hergerannt war.
    »Ich hatte eine Partyeinladung, wollte aber nicht hingehen«, erklärte sie, damit er kein schlechtes Gewissen mehr hatte, weil sie alleine ins neue Jahr hatte hineinfeiern müssen. »Ganz bestimmt, das war kein Problem. Aber ich bin so froh, dass du endlich da bist.«
    Er hielt sie am Arm fest, als sie sich von ihm lösen wollte, und sah sie ernst an. »Ich habe diesen Fehler schon so oft gemacht. Ich meine ... also,

Weitere Kostenlose Bücher