Wintermord
spezialisiert. Einige Mitglieder des damaligen Personals arbeiten noch immer dort, unter ihnen die Heimleiterin. Sie wird in Erfahrung bringen, wer gleichzeitig mit Bart dort war. Vielleicht kommt dabei ja was ans Licht.«
Tell schob Bärneflod einen Ausdruck mit einer Wegbeschreibung zu. »Es liegt in der Nähe von Uddevalla. Morgen Vormittag haben sie Zeit für uns, ich hab mir gedacht, das übernimmst du, Bärneflod. Was haben wir sonst noch? Karin?«
Sie war heiser und sah aus, als hätte sie ein paar Stunden Schlaf bitter nötig. »Ich bin die Aufstellung sämtlicher Telefongespräche des Ehepaars Waltz-Edell durchgegangen. Aber da war nichts zu holen. Lars hatte noch ein drittes Telefon, ein Handy, das er als sein privates Telefon bezeichnete. Doch es waren nicht mal zehn Gespräche, die er damit in den letzten Wochen geführt hat. Zachariasson – ihr wisst schon, Lars’ Spielkamerad aus Kindertagen – kam ein paarmal vor. Es ist schwierig, wenn man die Suche so breit anlegen muss. Man weiß kaum, wo man anfangen soll, zu graben.«
»Zachariasson können wir getrost abhaken, oder?«, erkundigte sich Tell bei Bärneflod.
Der zögerte. »Ja. Und nein. Eigentlich nein. Er hat ein Alibi für den fraglichen Abend, da war er mit drei Kollegen und einer ehemaligen Kommilitonin unterwegs. In der Nacht war er allein zu Hause, aber er ist mit einem Nachbarn im Fahrstuhl gefahren und ein anderer Nachbar hat an die Decke geklopft, als er gegen drei Uhr die Musik im Wohnzimmer zu laut laufen ließ. Daraufhin hat er seine Anlage leiser gedreht, das hat der betreffende Nachbar bestätigt. Natürlich hätte er immer noch im Morgengrauen losfahren können und ...«
»Ja, ja, aber wir wissen doch, dass Waltz zwischen 19 und 21 Uhr ermordet wurde. Außerdem hat er kein Motiv«, schnitt Tell den langatmigen Bericht ab.
»Reino Edell hat ein Motiv«, kam es sofort von Bärneflod. »Nach eigenen Angaben saß er bis halb zehn zu Hause vorm Fernseher und hat sich dann ins Bett gelegt, wo er noch ein bisschen Kreuzworträtsel löste. Seine Frau bestätigt, dass er die ganze Nacht zu Hause war, aber dabei ist ihr rausgerutscht, dass sie getrennte Schlafzimmer haben. Er hätte sich also sehr wohl rausschleichen können. Außerdem bin ich sicher, dass sie lügen würde, wenn er ihr sagt, dass sie ihn decken soll.«
»Mit anderen Worten: ein wertloses Alibi.«
Bärneflod nickte.
Tell begegnete Ann-Christine Östergrens forschendem Blick, als er von seinen Notizen aufsah. Er fragte sich, wie lange sie schon schweigend an der Tür gestanden und ihn betrachtet hatte, und fühlte sich sofort unwohl.
Dabei hatte selbst ihre Zusammenarbeit früher immer prima funktioniert. Er verfluchte sich dafür, sich in diese komische Lage gebracht zu haben. Die Ermittlung war stecken geblieben und das Einzige, worauf er sich im Moment konzentrieren konnte, waren seine inneren Konflikte. Verliebt, wie er war, nahm er das Risiko in Kauf, sich bezüglich Seja irgendwann zu verplappern.
Seine Chefin bedeutete ihm, dass er nach der Besprechung zu ihr kommen solle. Wusste sie etwa Bescheid? Aber woher?
Er musste die Affäre mit Seja beenden. Ann-Christine Östergren würde keine noch so plausible Erklärung für sein Verhalten gelten lassen.
In diesem Moment wurde ihm bewusst, dass seine Kollegen ihn erwartungsvoll ansahen. »Das Alibi der Ex-Frau ist hingegen wasserdicht«, erklärte er. »Maria Waltz hat mit ihrem jüngsten Sohn bei ihren Eltern in Kungsbacka übernachtet. Ihre Mutter bezeugt, dass Maria nachts über Magenschmerzen geklagt hat und sie ihr mehrmals Wärmflaschen gemacht hat.«
»Und die Söhne? Warum kommen die nicht in Frage?«, erkundigte sich Karin Beckman.
»Wieso sollten sie?«, kam es von Karlberg.
»Ihr meint also, dass Kinder ihre Eltern nicht ermorden können? Oder dass Teenager keinen Mord begehen können? Werft mal einen Blick in die Kriminalstatistiken!«
»Wir haben durchaus noch vor, die Jungs zu vernehmen«, wehrte sich Tell und sah Karlberg an. »Karlberg bestellt sie zu uns. Biete dem Minderjährigen an, seine Mutter mitzubringen, dann sparen wir uns das Heckmeck mit den Sozialarbeitern.«
Er sah, wie sich Karin Beckmans Gesicht versteinerte. Sie ärgerte sich wahrscheinlich, dass Tell beim Verhör der Söhne mehr Vertrauen in Karlberg setzte.
Doch Tell hatte bei dieser Entscheidung eher den Altersaspekt im Auge gehabt. Nicht selten machte sich die mangelnde Berufserfahrung bei seinem jungen Assistenten
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