Winternacht
Lichten Höfen handelte.« Wraths Miene war gequält, als müsse er etwas Bitteres schlucken.
»Das war vielleicht auch mal der Fall, aber Ihr Alleingang hat uns alle viel gekostet. Doch nicht nur Sie waren derart engstirnig – auch die Vampire glaubten, der Krieg sei ihrer und sie müssten ihn allein ausfechten.« Ysandra hob die Schultern. »Aber sich nun zu streiten ist sinnlos, die Schuldfrage unwichtig. Jetzt zählt nur noch, dass wir uns gegen einen gemeinsamen Feind zusammentun müssen.«
Lainule nickte. »Sie hat recht. Und deswegen musst du als Königin von Schnee und Eis mit Grieve an deiner Seite regieren. Wenn Myst vernichtet ist, wird der Indigo-Hof eine neue Königin suchen. Du musst den Winter vor ihnen schützen, bis wir es geschafft haben, sie alle zu töten.« Sie lächelte leicht. »Ich kann meine Stellung nur noch eine kleine Weile halten, gerade noch so lange, wie der Krieg dauern wird. Aber dann müssen Wrath und ich den Goldenen Wald verlassen. Rhiannon und Chatter werden unseren Platz als Herrin und Herr des Sommers einnehmen.«
»Aber wieso? Was ist denn geschehen?« Ich verstand es nicht. Sie zu verlieren erschien mir als Schlag, den wir kaum verkraften konnten, und ich hatte Mühe zu verdauen, was sie uns sagten. All das war zu viel, zu überwältigend, zu umwälzend.
»Als Myst sich meinem Herzstein näherte, hast du mir mein Leben gerettet. Erinnerst du dich, dass ich dich gewarnt habe, wenn du das tätest, würdest du damit auch deine und Rhiannons Zukunft unwiederbringlich verändern?«
Ich nickte, begriff jedoch noch immer nicht, was genau sich verändert haben sollte.
»Wenn eine Feenkönigin ihren Herzstein wieder in sich aufnimmt, so dass die Energie in ihren Körper zurückkehrt, verwirkt sie ihr Recht auf die Krone. Der Herzstein, der einst von der Königin getrennt und versteckt wurde, enthält ihr Reich, bis er entweder zurückgebracht oder zerstört wird. Indem du mein Leben gerettet hast, hast du meine Herrschaft beendet. Aber ich habe die Wahl bewusst getroffen. Ich hätte als Königin sterben können, wollte aber lieber leben, Myst bekämpfen und in Vergessenheit geraten.«
Tränen stiegen mir in die Augen, obwohl ich nicht wusste, warum mir zum Weinen war. »Aber ich verstehe nicht …«
Chatter richtete seinen Blick auf Wrath. »Ihr wollt also mit der Herrin gehen?«
Wrath nickte. »So muss es sein. Sobald Myst verjagt oder vernichtet ist und wir den Goldenen Wald zurückerobert haben, werden Lainule und ich euch das Reich überantworten. Der Wald wird zwischen euch aufgeteilt. Der Sommer wird in der ersten Jahreshälfte herrschen und sich dann zurückziehen und ihn dem Winter überlassen. Der Winter wird ihn im schwindenden Jahr hüten bis zur Sonnenwende.«
Ich schnappte nach Luft. »Mein Traum … Wir trafen uns an den Sonnenwendtagen! Aber das heißt dann …«
»Ja. Ihr werdet euch trennen und doch im Bündnis regieren. Sommer und Winter dürfen nur an den Tagen des Wechsels zusammenkommen. Du und deine Cousine werdet nie wieder zusammenleben. Dies ist das Opfer, das man euch abverlangt. So ist es immer gewesen.«
Rhiannon brach in Tränen aus. »Aber dazu bin ich noch nicht bereit.«
»Es ist dein Schicksal. Du kannst dich nicht dagegen wehren.« Lainule kam zu ihr und nahm sie in die Arme. »Seit langem schon wünsche ich mir, dich in meiner Familie willkommen zu heißen und dir zu sagen, wer du bist, aber wie bei Wrath und Cicely war es erst zum richtigen Zeitpunkt möglich. Wir hätten euch gern darauf vorbereitet, aber der Krieg lässt uns selten den einfachen Weg gehen, und er gestattet uns keine Furcht.«
Ein Klopfen an der Tür ließ uns alle erstarren. Ich trat vor. Meine Gedanken rasten, aber ich konnte keinen fassen. Was in den vergangenen Wochen geschehen war, war einschneidend und unerwartet gewesen, doch zu erfahren, dass Rhiannon und ich für eine solche Zukunft bestimmt waren, gab mir förmlich den Rest. Ich hatte so viele Fragen, aber als ich die Tür öffnete, wusste ich, dass sie warten mussten.
Draußen wartete eine Gruppe Magiegeborene vom Konsortium. »Die Verstärkung ist da«, sagte Ysandra und wandte sich zu Rhiannon, Chatter, Grieve und mir. »Versteht ihr jetzt, wieso ihr diese Schlacht überleben müsst? Warum ihr sie anführen, aber dennoch die anderen vortreten lassen müsst, wenn echte Gefahr für euch besteht? Ihr seid die Erben des zweigeteilten Throns. Ihr dürft nicht fallen.«
Ich biss mir auf die Lippe. Und wieder
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