Winters Herz: Roman (German Edition)
Schnee und brach dann seitlich aus. In ihrem Rückspiegel konnte sie die schmale Zufahrt sehen, die steil zur Hauptstraße hinaufführte. Zu steil. Sie seufzte resigniert, wechselte in den ersten Gang und fuhr ein kleines Stück vorwärts – auf den Platz zurück, den sie schon als ihren betrachtete. Auf ihrer Uhr war es Viertel nach drei.
Cass sprang aus dem Auto, knallte die Tür zu und hastete die Zufahrt hinauf.
Ihre Wadenmuskeln schmerzten, als sie die Schule erreichte, und sie hatte klatschnasse Füße. Auf dem Schulhof waren noch ein paar Kinder, die sich lachend mit Schneebällen bewarfen. Alle trugen Schals und Wollmützen und Stiefel. Cass’ Herz sank. Bens Stiefel waren noch in irgendeinem Umzugskarton verpackt.
Dann sah sie Mr. Remick, den Stellvertreter der Rektorin, an der Eingangstür stehen. Nach den weißen Flecken auf seinem Mantel zu urteilen, hatte er bereitwillig bei dieser ersten Schneeballschlacht des Jahres mitgemacht. Oder einige der Kinder waren frecher, als in dieser abgelegenen Weltgegend zu erwarten gewesen wäre. Er winkte ihr zu.
»Tut mir leid, ich …«
»Nicht nötig, nicht nötig. Wir haben uns wundervoll amüsiert. Ich gebe allerdings zu, dass ich mir meinen ersten Tag nicht ganz so vorgestellt habe.«
»Damit hat Ben bestimmt auch nicht gerechnet.« Sie lächelten sich zu. Cass sah, dass Mr. Remick klare blaue Augen hatte. »Wo ist er?«
»Er wartet bei Mrs. Spencer.«
Cass zog die Augenbrauen hoch.
»Die haben Sie heute Morgen kennengelernt, glaube ich. Sally Spencer.« Er grinste. »Nicht leicht zu übersehen.«
»Oh. Natürlich.« Cass musste unwillkürlich lachen.
»Sally beschäftigt ihn mit irgendeiner Zeichnung. Sie haben hoffentlich nichts dagegen, Mrs. …«
»Cass.«
»Sie haben hoffentlich nichts dagegen, Cass, aber ich habe mir erlaubt, Mrs. Spencer zu fragen, ob sie Ben und Sie heimfahren könnte. Nur für den Fall, dass es Schwierigkeiten gibt. Ich könnte mir vorstellen, dass die Zufahrt zur alten Mühle heimtückisch sein kann.«
»Das ist sie«, gab Cass widerstrebend zu. Sie wollte Sally nichtum Hilfe bitten, aber sie dachte daran, wie Ben ohne Stiefel würde heimgehen müssen … Sie hätte besser vorbereitet sein sollen. Und schließlich hatten sie Sally mitgenommen, als ihr Wagen im Moor liegengeblieben war.
Dann fiel ihr etwas ein. »Ich dachte, dass Sallys Wagen eine Panne hatte?«
»Wirklich? Davon hat sie nichts erzählt – er muss wohl repariert sein, denke ich. Jedenfalls hat sie gesagt, das sei kein Problem.«
»Ich kann Sie zu Hause absetzen.«
Als sie sich umdrehten, stand Lucy hinter ihnen, die Frau mit dem Land Rover. »Ich fahre ohnehin vorbei.«
»Danke, nicht nötig«, sagte Mr. Remick. »Wir haben alles unter Kontrolle.«
»Aber Sally wohnt in entgegengesetzter Richtung.« Lucy wandte sich an Cass. »Sie können schon mal in den Landy steigen. Jess sitzt bereits drin – ich bin nur zurückgelaufen, um ihren Schal zu holen.«
»Sehr freundlich von Ihnen«, sagte Cass. Während sie das sagte, erschien Ben, der ein bisschen blass war, am Ausgang. Er kam zu seiner Mutter und blieb schweigend neben ihr stehen. Cass fühlte den Drang, sich zu ihm hinunterzubeugen und ihn fest zu umarmen, aber sie beherrschte sich. Vielleicht wurden sie von potenziellen Spielkameraden beobachtet; mit solchermaßen zur Schau gestellter mütterlicher Fürsorge konnte der Neue leicht zum Opfer werden. Stattdessen legte sie ihm eine Hand auf die Schulter und drückte sie kurz.
»Großartig«, sagte Mr. Remick. »Danke, Lucy.« Seine Züge wurden weich, als er sich etwas zu Cass hinüberbeugte. »Wir sehen uns morgen«, sagte er, und sie glaubte fast, seinen Atem auf der Wange gespürt zu haben.
Die Kinder hockten schweigend auf dem Rücksitz des Land Rovers, während Lucy und Cass schwatzten. Lucy lebte ein Dorf weiter, sagte sie, einige Meilen flussaufwärts.
Cass wollte oben an der Straße abgesetzt werden, aber Lucy bestand darauf, sie bis vor die Tür zu fahren. Der Land Rover bewältigte die verschneite Zufahrt mühelos und hielt direkt vor der Haustür, gleich neben Cass’ Wagen.
»Ziemlich belebter Parkplatz«, scherzte Cass. »Sehen Sie sich also vor, wenn Sie wenden.«
»Ja, echt schade um die alte Mühle«, sagte Lucy mit einem Blick nach oben. »Ein imposanter Bau.«
»Aber nur halb fertig. Ich habe mich gefragt, warum heute keine Bauarbeiter gekommen sind – sie müssen wohl gewusst haben, dass es schneien
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